lautten compagney und Calmus Ensemble

„Das ist die Sitt‘ in dieser Welt, wer buhlen will, muss haben Geld, wo das gebricht, ist ganz umsonst all Weisheit, Jugend, Schön‘ und Kunst“: Im Madrigal „Nun grüß dich Gott, mein Mündlein rot“ von Orlando di Lasso erklärt die schöne Els ihrem Verehrer den Lauf der Welt. Nicht nur in diesem unromantischen Punkt war die Zeit der Reformation der unsrigen ganz nah, fanden die Musiker von lautten compagney und Calmus Ensemble. Ein Hauch Zynismus würzte das „Mitten im Leben 1517“ überschriebene Konzert beim Mainzer Musiksommer in der Mainzer Seminarkirche mit Kompositionen und Improvisationen über geistliche und weltliche Themen: In Ludwig Senfls mechanischem „Geläut zu Speyer“ wie in „Beati immaculati in via“, einem Konstrukt aus Ostinati und Kanones von Johann Walter, erlebte man Religion als gesellschaftliches Mittel zu Machterhalt und Besitzstandswahrung; das aus multinationalen Wirtschaftsprojekten (wer denkt hier an Kriege?) hervorgegangene Landsknechts-Kauderwelsch, illustriert in Orlando di Lassos „Matona mia cara“ und dem „Strampede mi alami“ im anonymen „Wir zogen in das Feld“, schien schlimmer als Kanak-Sprak; und Geld macht immer noch sexy.

Auch Spezialisten-Ensembles wird es auf die Dauer langweilig, immer nur alte Musik zu spielen. So fügten die Musiker sehr behutsam auch harmonisch, rhythmisch und klangfarblich aktualisierte Tonsätze zwischen die Originale aus dem 16. Jahrhundert: Im von Juan Garcia arrangierten Intro zu Ludwig Senfls „Ach Elslein, liebes Elselein“ hätte man die von Hans-Werner Apel gespielte Laute mit geschlossenen Augen für einen e-Bass halten können. Mochte man in den gekonnt intonierten Jazz-Harmonien in Arrangements von Ludwig Böhme und Sebastian Krause über den sinnlichen hinaus nach dem sittlichen Nährwert suchen, war Bo Wigets Komposition über die Luther-Choral „Mitten wir im Leben sind“ von mythischer Kraft und das von Wolfgang Katschner arrangierte Volkslied „Ach bittrer Winter“ ließ unmittelbar nachempfinden, wie sich die Winter während der „kleinen Eiszeit“ angefühlt haben mochten, ohne Fenster und Zentralheizung.

Während die Weichspüler-Akustik die gesangshaltigen Arrangements in gesteigertem Maße getragen wirken ließ und mutmaßlich viel von dem Witz und der Leichtigkeit verquirlte, für die die fünf Sänger des Calmus Ensemble berühmt sind, genoss man die von den sieben Musikern der lautten compagney temperamentvoll und farbenfroh zelebrierte nahtlose Zusammenstellung von Tanzsätzen von Hans und Melchior Neusidler umso dankbarer.

Im Spottlied „Ich will fürhin gut päpstlich sein“ von Stephan Zirler erfuhr man schließlich den wahren Grund, warum das Luthertum in nicht allen Landen bereitwillig angenommen wurde: „wenn ihm so schwer aus Luthers Lehr wär worden auch sein Taschen und Bauch, den Papst hätt er verschworen, des Luthers Lehr erkoren“.

DORIS KÖSTERKE