Workshop mit Brian Ferneyhough

„Hört auf die Figuren! Sonst klingt es wie Boulez“. Und: „Spielt die leisen Töne noch sehr viel leiser. Damit schafft ihr Perspektive“, riet Brian Ferneyhough dem jungen Klavierduo, das sich aufs Tapferste mit seiner „Sonata for Two Pianos“ beschäftigt hatte. Der 1943 geborene Engländer gehört zu den anerkanntesten Komponisten der Gegenwart: Seit 2000 lehrt er an der Stanford University, 2007 erhielt er den Ernst von Siemens Musikpreis. In diesem Jahr bekleidet er die erste Stiftungsgastprofessur für Komposition, die das Profil der Frankfurter Musikhochschule im Hinblick auf die künstlerische Gegenwart schärft. In einer ersten Arbeitsphase arbeitete er öffentlich mit jungen Instrumentalisten.

Warum so kompliziert?

Seine Kompositionen stellen in jeder Hinsicht allerhöchste Anforderungen an ihre Interpreten: ungeläufige Tonverbindungen, oft höchste Lagen, teils rasende Tempi, vertrackte Rhythmen und Zählzeiten, die von Takt zu Takt wechseln: Im Schlagzeugstück Bone Alphabeth (1991-92), dem Vera Seedorf sich beherzt angenähert hatte, wird aus dem Vier-Achtel-Takt schon mal einer mit dreizehn Sechzehnteln. Normalerweise reichen ein bis zwei Linien, um eine Schlagzeugstimme zu notieren, doch in diesem Stück sind es sieben. Da fühlt sich auch ein geübter Partiturleser wie ein funktionaler Analphabet. Warum so kompliziert? „Nun, wir haben ja heute keine einheitliche Aufführungspraxis mehr, wie etwa die Barockzeit“, gab der unprätentiöse und zugängliche Komponist in perfektem Deutsch zu bedenken, als er, zeitig gekommen, mit seiner saftigen Erkältung vor den noch geschlossenen Türen der Musikhochschule im Wind stand. Wenn, wie im Schlagzeugstück „Fanfare für Klaus Huber“ ein Achtel den Metronomwert 54 hat, lässt sich exakt ausrechnen, wie schnell beispielsweise die Zweiunddreißigstel-Quintolen im Zweizehnertakt zu spielen sind. Ferneyhough hat sich dafür eigens ein Computerprogramm gebastelt. Warum Rainer Römer und seine Studentinnen mit ihren Berechnungen hinsichtlich des Spieltempos zu einem anderen Schluss gekommen waren als der Komponist? Beide Seiten gelobten, der Frage nachzugehen.

Dominique Chabot verdient ein „Weiter so!“

Insgesamt staunte man, wie unerschrocken die jungen Menschen sich den Stücken gestellt, wie gut sie vorbereitet waren und wie souverän sie die Änderungswünsche des Komponisten umsetzten. Parallel dazu wuchs die innere Frage nach dem Warum und Wozu, besonders im mittäglichen Leistungstief, als der Workshop im Großen Saal der Finkenhofloge fortgesetzt wurde. Da kam Dominique Chabot mit ihrem Kontrabass. Sie hatte sich nur einen Ausschnitt aus „Trittico per C.S.“ vorgenommen, aber wie! Ihre Rechte flog über das Griffbrett, während sie mit strahlenden Augen und glühenden Wangen mit ihrem Instrument verschmolz und ihm eine volltönende Vielstimmigkeit entlockte, die unmittelbar einleuchtete. Beifall, Jubel und ein Händedruck des Meisters: „Weiter so!“

DORIS KÖSTERKE

Zwei weitere Arbeitsphasen im Mai und im November – Näheres wird zeitnah auf www.hfmdk-frankfurt.info bekanntgegeben.