Stuttgarter Kammerorchester mit Simon Höfele

 

Vor 2019 Jahren hat Jesus in diesen Tagen vermutlich schon kräftig gegen die Wand getreten. Ihm zu Ehren begann das dritte der Wiesbadener Meisterkonzerte im Friedrich-von-Thiersch-Saal mit dem Concerto grosso g-Moll op. 6 Nr 8 von Arcangelo Corelli, „Fatto per la notte di natale“, für die Weihnachtsnacht geschrieben. Sein Beginn tröpfelte vorsichtig in die Stille, um sich zu einer plastischen Erzählung zu verdichten, die, wenig klischee-hörig, in einer Pastorale ausklang.

Sensibler Umgang mit Stille

Der sensible Umgang mit Stille, das temperamentvolle Sich-Verdichten, das frische Einander-Herausfordern und lyrische Ausdünnen gehörte zu den besonders lohnenden Momenten dieses gelungenen Programms mit dem Stuttgarter Kammerorchester. Susanne von Gutzeit leitete es vom ersten Pult der Violinen aus als vorbehaltlos präsente Konzertmeisterin, in der gerade ihre Nummer Drei heranwächst.

Zu der architektonisch sauber agierenden, insgesamt 15-köpfigen Besetzung gesellte sich der erst fünfundzwanzigjährige Trompeter Simon Höfele. Unerhört weich und geschmeidig mischte sich in den Trompetenkonzerten von Tomaso Albinoni und Alessandro Marcello (beide in d-Moll) sein Ton mit den Streicherklängen. Das begeisterte Publikum forderte dringend eine Zugabe. Darauf schien der Trompeter nicht vorbereitet. Im Da Capo des letzten Marcello-Satzes verrieten leichte Kiekser und intonatorische Trübungen, wie anstrengend dieser ursprünglich für Oboe geschriebene Part für die Trompete ist.

Als Ruhepause für den Trompeter war das Concerto armonico Nr. 4 f-moll des hoch gebildeten Unico Wilhelm Reichsgraf van Wassenaer (1692-1766) eingeschoben. Im wenig ausgefallenen Werk gefielen die zarte und geheimnisvolle Stimmung im langsamen Satz und das leise Ausklingen des Finale.

Nach diesem durchweg in Moll gehaltenen ersten Teil erstrahlte der zweite Teil, als geradezu religiöse Aussage, durchgängig in Dur, energisch aufflammend in Händels „Alexanderfest“-Concerto grosso C-Dur HWV 318. Den Beschluss bildete Edvard Griegs Suite „Aus Holbergs Zeit“ mit forkloristischen Tanzrhythmen, Brummkreisel-Bässen und einer gehörigen Portion Witz, die der fundierte Programmtext von Ilona Schneider als Bezug zum Satiriker Ludvig Holbein herausstellte.

Kammermusikalisches Selbstbewusstsein

Vor allem gefiel das Selbstbewusstsein, mit dem die einzelnen Klanggruppen auch ohne den Umweg über die Leiterin miteinander kommunizierten und lebendige Dialoge führten. „Das ist Konzept“, erzählte Susanne von Gutzeit nach dem Konzert. „Auswahlkriterium für unsere vielen Neuen war, dass sie, ganz kammermusikalisch, nach allen Seiten für Impulse offen sind und eigene Akzente setzen“. Die nachdenklich stimmende Zugabe war Mozarts Divertimento F-Dur, KV 138.

DORIS KÖSTERKE
19.12.2019