Kritik Sacre du Printemps in Darmstadt

8. Sinfoniekonzert des Staatsorchesters Darmstadt

„ … ich fühle eine Art von existentieller Angst, wenn ich den Sacre dirigiere“, sagte Dirigent David Zinman über Strawinskys 1913 in Paris uraufgeführtes Werk. Ein existenzieller Einsatz für die Musik über ein heidnisches Ritual, in dem weise Männer ein junges Mädchen sich zu Tode tanzen lassen, um die Götter des Frühlings gnädig zu stimmen, übertrug sich auch von Will Humburg auf das Publikum, während er das Werk zum Abschluss des 8. Sinfoniekonzerts des Staatsorchesters im Großen Saal des Staatstheaters Darmstadt dirigierte.

Die überwältigende Besetzung mit zum Beispiel acht Kontrabässen, acht Hörnern und acht Schlagzeugern stand hier ausschließlich im Dienste der klanglichen Differenziertheit: mit kammermusikalischer Trennschärfe durchwebten die bis zu acht verschiedenen Einzelstimmen innerhalb einer Instrumentengruppe das kontrapunktisch durchwebte Ganze. Darunter waren viele beglückende Solistenleistungen: butterzart etwa das berüchtigte Fagottsolo zu Beginn und wie aus einer anderen Welt die gedämpften Trompeten in der Einführung zum zweiten Teil.

Das atavistisch wirkende Werk stand in merkwürdigem Kontrast zum Brahms-Lied, das vor dem Konzert im Foyer erklungen war: „Oh wüsst ich doch den Weg zurück“ op. 63 Nr. 8. Eine existentielle Tragweite spürte man auch in György Kurtágs rätselhaft dichtem opus 33, Stele. Die impressionistisch flirrenden Klangbilder in Richard Strauss‘ Also sprach Zarathustra op. 30 vermittelten nach einer gelungenen musikalischen Karikatur „Von der Wissenschaft“ als einem nebulös dumpfen Brüten die „philosophy“ leidenschaftlicher Lebensfreude.

DORIS KÖSTERKE