Klangschatten, Spiegelbilder

Ensemble Modern – A la recherche de temps

A la recherche de temps hatte der Belgische Künstler Serge Verstockt zwei Solo-Stücke überschrieben. Zweifellos eine Anspielung auf Marcel Proust. Im Beitrag des Ensemble Modern zum „Festival for Performing Arts“ erlebten sie im F°LAB ihre Deutsche Erstaufführung. Ein luftiges Halbrund aus vier quadratischen Flächen um einen Notenständer diente der Projektion von Videos, die Koen Theys von den Interpreten beim Aufführen der hoch virtuosen Stücke gedreht hatte. Vier Mikrophone zeichneten die aktuelle Aufführung der Solisten auf. Zeitlich versetzt, verlangsamt oder gerafft abgespielt wurden die Spielenden von ihren eigenen Klangschatten und Spiegelbildern umgeben bis verfolgt. Alles Material war aus dem Gegebenen entwickelt. Hinzugefügt war nur der Wechsel der Video-Hintergründe. Das von Jaan Bossier mit existenziellem Einsatz gespielte Klarinettenstück wurde durch Hell-Dunkel-Wechsel rhythmisiert, während das mit wechselnden Farben und Mustern unterlegte A la recherche de temps II, Doloroso – for viola and video (2015), gespielt von Megumi Kasakawa, wie ein apokalyptischer Tanz wirkte.

Dazwischen, in der von Jagdish Mistry gespielten Étude II für Violine solo (2001) von Jörg Widmann, war allein die Geige die Bühne, auf der ein „klassischer“ mehrstimmiger Satz sich in ein virtuoses Panoptikum aus Glissandi und Flageolett-Tremoli bis zu einem Solo der Greifhand auffächerte. Begonnen hatte der Abend mit In die Stille (1998) für Violoncello solo von Nicolaus A. Huber, gespielt von Michael M. Kasper mit hoher Konzentration und zwingender innerer Logik.

DORIS KÖSTERKE