Barockmarathon mit Rebecca Raimondi

 

Frankfurt. Am Institut für Historische Interpretationspraxis (HIP) an hat es einen Quantensprung in der Qualitätsentwicklung gegeben. Was die Studierenden der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) im diesjährigen Barockmarathon geboten haben, geht weit über das nur Professionelle hinaus.

Erschwerende Corona-Bedingungen

Dabei waren, wie Cembalo-Lehrkraft Sabine Bauer zur Begrüßung erklärte, die Bedingungen in diesem Jahr besonders schwer. Denn viele Proben mussten ausfallen, weil Corona-Schnelltests die gefürchteten zwei Balken zeigten. Das schien die Studierenden nur noch mehr angespornt zu haben.

Neun Stunden Barockmarathon

Das rund neun Stunden füllende Gesamtprogramm war auf zwei Spielorte, den Großen Saal und das Opernstudio, verteilt. So kann hier leider nur die Hälfte des Gebotenen gewürdigt werden.

In der eröffnenden Orchestermusik von Scarlatti und Corelli war alles sehr sauber phrasiert und von den jeweiligen Stimmführern, mit Geigerin Judith von der Goltz an vorderster Front, in enger Abstimmung untereinander koordiniert. In den schnellen Sätzen gelang das richtig toll. Doch die langsamen Sätze wirkten in diesem großen Verband noch leicht klebrig, so, als wollte man eher „alles richtig“ als in emphatischem Sinne Musik machen.

Die Kostproben aus Händels Oper Xerxes waren von der Frische und Musikantik von Eva Maria Pollerus inspiriert, die die Aufführungen vom Cembalo aus leitete.

Hoffnungsvolle Cembalistinnen

Die Cembalistin Seulki Bae faszinierte mit ungeahnt sanglichem Spiel im Quartett in D Major, Wq 94 von Carl P. E. Bach (1714-1788).  In der Violinsonate von dessen Vater, BWV 1023,  hätte sie ihren Part gern risikofreudiger angehen dürfen. Als souveräne und inspirierende Begleiterin am Cembalo beeindruckte wiederholt auch Kadra Dreizehnter.

Natürlich gab es auch weniger durchgereifte Interpretationen und auch wenig überzeugende Kompositionen von renommierten Komponisten: Eine Sonate von Johann Joachim Quantz etwa begegnete als Konfektionsware. Als virtuos überformte Spielmusik gewann die Sonate Nr. 4 aus „Der freudenreiche Rosenkranz“ von Heinrich Ignaz Franz Biber (1644–1704) immerhin durch die ansteckende Musikantik von Roxana Neacșu (Orgel).

Bachs Opa

Überraschend modern wirkte die hoch emotionale chromatische Tonsprache in der Kantate „Ach, daß ich Wassers gnug hätte“ von Christoph Bach (1613–1661), dem Großvater von Johann Sebastian. Seinen eigentlichen Klangreiz erhielt das Werk durch die Familie der Gamben (Ilona Les, Altgambe – Anne Clement, Tenorgambe – Mariona Mateu Carles, Bassgambe – Kinnon Church, Violone), flankiert von Violine (Youngmin Lee) und Orgel (Cesar Bischoff).

Werke von Komponistinnen

Zu den Entdeckungen des Abends gehörten zwei fulminant interpretierte Werke von Komponistinnen: Die Sonate B-Dur für 2 Violinen und B.C. von Elisabeth-Claude Jacquet de La Guerre (ca. 1664-1729) und die Sonata Prima op. 16 von Isabella Leonarda (1620-1704).

Mit Geist, Herz, Fleisch und Blut: Rebecca Raimondi

Treibende Kraft in diesen Werken war die italienische Violinistin Rebecca Raimondi. Sie hatte bereits als Solistin im Violinkonzert von Johann Georg Pisendel (1687–1755) restlos für sich eingenommen. Sie erscheint als ausgereifte Persönlichkeit, in der souveränes Können, gründliche Arbeit am Notentext, Klang gewordene Emotionalität und urwüchsige Musikantik zu einem selbstverständlichen Ganzen zusammenfinden. Nach mehreren international abgeschlossenen Studiengängen studiert sie Barockvioline bei Mechthild Karkow. Von dieser Geigerin wird man hoffentlich noch sehr viel hören.

DORIS KÖSTERKE
1.2.2022