Happy New Ears – Portrait Enno Poppe

„Komponieren ist eine sehr einsame Tätig­keit. Da macht es unglaublich viel Spaß, zwischendurch mit einem Ensemble zu arbei­ten: es ist ge­sellig, lustig und vor allem dann inter­essant, wenn man sich mit Werken le­bendi­ger Komponisten beschäftigt“, er­zähl­te Enno Poppe im Gespräch mit Rebecca Saun­ders im jüngsten Workshop-Konzert Happy New Ears des Ensemble Modern im Holzfoyer.

Seinen Ruf als Komponist verdankt Poppe auch seinem Ruf als Ensembleleiter. Vor zwanzig Jahren hat er das Ensemble Mosaik gegründet, um neben eigenen auch Werke anderer junger Komponisten aufzufüh­ren. Seine Musiker schwärmen von der At­mosphäre aus guter Laune, sprühender Selbstironie und substanzreichem Witz, in der dort gemeinsame Klangforschung betrie­ben wird.

Beliebtes Forschungsobjekt des Ensembles ist die Musik der englischen Komponistin Rebecca Saunders. Bei einem Happy-New-Ears-Workshop im Februar 2017 hatte man über die feinfühlige Detailkenntnis gestaunt, mit der Poppe dem Publikum im Gespräch die Musik der Kollegin nahebrach­te. Nun war der Spieß umgedreht.

„In vielen deiner Stücke fühle ich mich zu Beginn mit einem Nukleus konfrontiert, den du dann sehr stringent entwickelst“, sagte die Komponistin. In ›Fell‹ für Drumset solo, beeindruckend gespielt von Rainer Römer, nahm man ihren Hinweis als Wegweiser für das eigene Hören und begriff das Stück als organisches Sich-Entfalten und wucherndes Sich-Ausbreiten, das wie eine witzige Persiflage auf die Improvisa­tion eines Rock-Schlagzeugers wirkte. „Ich habe die klangli­chen Elemente einer solchen Improvisation analysiert und neu zusammengebaut“, ver­riet der Komponist.

Die Ensemblearbeit scheint in Poppe auch den Respekt vor der Arbeit jedes ein­zelnen Musikers gestärkt zu haben. Die bei­den folgenden Ensemblestücke, ›Brot‹ (2008) und ›Scherben‹ (200/01 für das Ensemble Modern geschrieben) behandelten jeden Musiker als in seinen virtuosen Möglich­keiten geforderten und gewürdigten Soli­sten, während Poppes Dirigierbewegungen die eigentümlichen Bewegungen von Tieren und Menschen verschiedenster Größen, Charaktere und Tempera­mente nachzuahmen schienen, vexierend zwischen Einfühlung und humori­stischer Distanzie­rung. Als Hörer kombi­nierte man die abstrahierten Bewegungsab­läufe innerlich zu einem Drama, in dem höchst verschiedene, jeweils einer eigenen inneren Gesetzmäßigkeit folgende Persönlichkeiten miteinander agieren.

„Wenn ich sage: sie fallen einander ins Wort oder fallen übereinander her, dann ist das gegenüber der Musik sehr ver­gröbernd. So, als wollte ich das feine Minenspiel in einem Gesicht beschrieben, obwohl es unmittelbar verständlich ist“, sagte Poppe dazu und schmunzelt: „Aber kann ich etwa mit Recht behaupten, eine Mozart-Sinfonie zu verstehen?“

DORIS KÖSTERKE