Förderpreise Siemens Musikstiftung 2020/21

 

FRANKFURT. Die kroatische Komponistin Mirela Ivičević fokussiert das subversive Potential von Klängen aus dem täglichen Leben. Als eine von drei Förderpreisträgerinnen der Ernst von Siemens Musikstiftung wurde sie im jüngsten Abonnementkonzert des Ensemble Modern im Mozart Saal der Alten Oper vorgestellt. Neben dem „Nobelpreis der Musik“ genannten Ernst von Siemens Musikpreis vergibt die Stiftung in jedem Jahr drei Förderpreise für junge Komponistinnen und Komponisten.

Förderpreise Siemens Musikstiftung 2020/21

Corona-bedingt konnten die Preisträger 2020, Catherine Lamb (USA), Francesca Verunelli (Italien) und der Franzose Samir Amarouch erst in diesem Jahr im Münchner Prinzregententheater vorgestellt werden. Am gleichen langen musica-viva-Abend des Bayerischen Rundfunks mit dem Ensemble Modern wurden auch die aktuellen Preis­träger, der Tübinger Malte Giesen, Yair Klartag (Israel), sowie die oben erwähnte Mirela Ivičević dem Publikum vorgestellt.

Subversives und werdende Kinder

Tags drauf präsentierte das Ensemble Modern einen Verschnitt aus beiden Jahrgängen, beginnend mit „Sweet Dreams“ (2019), in dem Mirela Ivičević etwas exklusiv Weibliches thematisiert: das Erleben der Schlaf- und Wachphasen eines werdenden Kindes, die mitunter gar nicht mit denen der Mutter übereinstimmen.

Die Grenzen des Rationalen

Auch Yair Klartag fand das Thema für seine Komposition im täglichen Leben und darüber hinaus in Schriften des mittelalterlichen jüdischen Gelehrten Maimonides über Berechenbares und seine Grenzen. In „Rationale“ (2021), in denen Sopranistin Einat Aronstein etwa die ersten 109 Nachkommastellen der Quadratwurzel aus zwei vortrug, drohte beim Rationalen die Erstarrung, während sich das Lebendige aus den Rändern entwickelte.

Natur und Kultur

Kurze, von der Siemens-Stiftung erstellte Portraitfilme überbrückten die Umbaupausen und zeigten die Komponierenden in ihrer ganzen Vielseitigkeit, Samir Amarouch etwa im Kreis seiner Freunde beim Fragen, wo die Grenze ist zwischen Kultur und Natur und ob man bei Affen, die ihre Nahrung ins Meer tunken, damit sie salzig schmeckt, nicht schon von Zubereitung sprechen könne.

Akustisch oder elektronisch?

Dieses Unschärfen-Thema fand man in seiner Komposition „Electronica-B minor crush“ (2020) insofern wieder, als die 21, von einer E-Gitarre abgesehen ausschließlich akustischen Instrumente so klangen, wie elektronische Musik. Großes Kompliment an die von David Niemann koordinierten Musikerinnen und Musiker des Ensemble Modern!

DORIS KÖSTERKE
1. Oktober 2021

 

Einen Livestream der Münchner Aufführung aller sechs Werke kann man hier abrufen: https://www.ensemble-modern.com/de/projekte/aktuell/on-air-2020.