Vollautomatisierte Hochgeschwindigkeitspräzision

 

Ensemble Resonanz und Pianist Kit Armstrong in Frankfurt

 

 

Ein intelligentes Programmkonzept prägte das jüngste der Frankfurter Bachkonzerte im Großen Saal der Alten Oper, bestritten vom Hamburger Ensemble Resonanz und dem Pianisten Kit Amstrong. Angel- und Höhepunkt war die Aufführung des 1985-88 geschriebenen Klavierkonzerts von György Ligeti.

Die Brücke von Bach zu Ligeti trägt: Auch Bach war ein experimenteller Komponist, dessen Wagnisse so manchem seiner Zeitgenossen die Fußnägel nach oben rollten. Beide liebten die Polyphonie, in der das Ganze von mehreren eigenständigen, in sich tragfähigen Stimmen gestaltet wird. Und beide rufen mit konstruktivistischen Mitteln enorme emotionale Wirkungen hervor.

In Ligetis Klavierkonzert überlagern sich verschiedene Rhythmen in verschiedenen Geschwindigkeiten. Von Johannes Fischer unbeirrbar klar dirigiert ließ das durchkalkulierte Mit- und Nebeneinander von Klavier und Orchester bisweilen an afrikanische Trommelrhythmen denken, die wie verschieden große Zahnräder ineinandergreifen und sich zu immer wieder neuen Mustern überlagern, von Passagen klar herausgearbeiteter Trennschärfe zu spannungsreichen Mixtur-Klängen. Der zweite Satz bezauberte mit seine Reichtum an pianistischen Farben, die Kit Amstrong trefflich herausgearbeitet hatte, bisweilen im magnetischen pianissimo.

Es war Ligeti, der auf die Studies for Player Piano des amerikanischen Komponisten Conlon Nancarrow aufmerksam wurde. Sie ähneln klangforscherischen Experimenten, die nicht für die Aufführung durch Menschen gedacht sind. Zwei von ihnen erklangen auf einem eigens dafür hergerichteten Bösendorfer-Flügel, darunter die Nr. 8, ein Kanon in variablen Geschwindigkeiten. Einen weiteren Schwerpunkt in diesem überlangen Konzert bildeten Stücke von William Byrd (1543-1623). Für das zarte Viginal geschrieben, von Kit Amstrong auf dem Flügel gespielt, klang „O Mistress Mine“ (MB 83) zwar wunderbar durchsichtig, der Verzierungsreichtum jedoch wie ein zu dick beschmiertes Butterbrot. Als Klammer hatten zwei Werke von Johann Sebastian Bach gedient, zum Einspielen das Fünfte Brandenburgische, in dem Kit Armstrong am Cembalo erleben war, zum Ausklang das  Klavierkonzert d-Moll – BWV 1052, in dem er wieder am Flügel saß. Beide Interpretationen befriedigten alle Ansprüche an rasende Geschwindigkeiten. Aber in ihrer Überraschungsarmut wirkten sie so, als seien sie schon gar zu oft gespielt worden.

Die Zugabe war Kit Amstrongs eigene Übertragung des Choralvorspiels „Erbarm dich mein, o Herre Gott“ BWV 721. Die unerschrocken über mulmigem Stimmgewusel schwebende Melodie schloss den Bogen zur mehrschichtigen Anlage der vorangegangenen Kompositionen.

DORIS KÖSTERKE