Sol Gabetta und die Bamberger

Ligeti und Martinů

sowie ein langweiliger Schubert

 

Abenteuerfreudig begann das Konzert der Bamberger Symphoniker im Großen Saal der Alten Oper mit »Lontano« von György Ligeti. Die Gänsehaut erzeugende, aus unzähligen Kanons gewebte zwölfminütige Klangfläche ist aus vielen Einspielungen bekannt. Aber diese Aufführung unter der Leitung von Jakub Hrůša, in der man die sich durch das Orchester ziehenden Klangwechsel auch optisch mitverfolgen konnte, war ungleich plastischer: viele kleine Gesetzmäßigkeiten durchdringen einander, finden zu größeren Mustern zusammen, die sich auch wieder auflösen, wie eine vom Wind bewegten Wasserfläche, auf der die Sonne aufgeht.

Sol Gabetta, in der südamerikanische Lebensfreude mit der strengen Erziehung einer russischen Mutter eine künstlerisch äußerst fruchtbare und enorm ausstrahlungsreiche Verbindung eingegangen sind, war Solistin im Ersten Cellokonzert (1955) des erfrischenden Querkopfs Bohuslav Martinů (1890-1959): wegen „unverbesserlicher Nachlässigkeit“ vom Prager Konservatorium verwiesen ging er seine eigenen Wege über Paris durch die Welt und bildete eigene Überzeugungen heraus: Die „Geometrie“ strenger Formen wollte er durch die „Phantasie“ überwinden, die in jedem Werk wieder eigene Gesetze schafft. Eine Konstante in seinem Schaffen ist die Inspiration durch die Volksmusik seiner Heimat – und dass es immer anders weitergeht, als man denkt, in jähen Brüchen, Verkürzungen, Schwenks in andere Klang- und Gefühlswelten. Das erfordert so hellwache Interpreten wie Sol Gabetta, die ihren Part mit dem Einsatz ihres gesamten durchtrainierten Körpers und ihrer menschenfreundlichen Seele erfüllte, mal kraftvoll, mal aufrichtig bekümmert, während das Orchester in unsicheren Einsätzen vermuten ließ, dass es auf dieses Werk schlecht vorbereitet war.

Schuberts „Große“ C-Dur-Symphonie folgte mit allen Wiederholungen. Ein durchgreifender Gestaltungswille offenbarte sich dabei weder im ersten noch im zweiten Durchgang, dem, im Da-Capo des Scherzos, auch noch ein dritter folgte: statt eines tragfähigen Spannungsbogens zeigte diese Aufführung, dass auch die Repertoirewerke bildungsbürgerlicher Ressentiment-Musik sich nicht von selbst spielen.

Zwischen den auffallend jungen „Wann-Ist-Endlich-Feierabend“-Gesichtern des Orchesters fanden sich jedoch auch einzelne engagierte, besonders unter den Bläsern, und da wiederum ganz besonders der Erste Oboist und die präsente Flötistin.

DORIS KÖSTERKE