Pianist Seong-Jin Cho

Vergnügt blickt er auf seine Hände, wie sie die Hochgeschwindigkeitsläufe im Finalsatz von Chopins Dritter Klaviersonate vollführen. Immer wieder lacht er unterm Spielen in sich hinein. Der 24-jährige Seong-Jin Cho wirkt keineswegs wie ein nach standardisierten Kriterien dressierter Hochleister: Es schienen seine eigenen existenziell bohrenden Fragen zu sein, mit denen er etwa Beethovens „Pathétique“ einleitete. Und seine Spielfreude überträgt sich so unwillkürlich auf die Zuhörer wie seine Konzentration.

Zwischen einem Konzert mit dem European Union Youth Orchestra am Vorabend in Amsterdam und einem weiteren, zwei Tage später in London, gab der Gewinner des Internationalen Chopin-Wettbewerbs 2015 im Fürst-von-Metternich-Saal auf Schloss Johannisberg sein Debut beim Rheingau Musik Festival.

Im ersten der Fantasiestücke op. 12 von Robert Schumann, Des Abends, mit dem er sein Konzert begann, schien er noch nach einem eigenen Klang zu suchen, der sich von dem überlieferten zarten der Widmungsträgerin unterschied. Der „Aufschwung“ schien seiner Lust am Spielen mit Farben und Mustern, am Schaffen von Atmosphären und Phantasiebildern am ehesten zu entsprechen, die er in Debussys Zweitem Buch der Images aufs Überzeugendste auslebte: im dritten und letzten „Bild“, Poissons d’or war es, als fühlte man die Goldfische durch die eigenen Finger glitschen.

Die erste Konzerthälfte mit Schumanns Fantasiestücken und Beethovens „Pathétique“, hatte eine geschlagene Stunde gefüllt, ohne dass einem die Zeit so lang vorgekommen wäre. In der zweiten, mit Debussys Images und der erwähnten Chopin-Sonate, spürte man die Längen der letzteren und fragte sich, ob es möglich wäre, sie mit einem einheitlichen dramaturgischen Bogen zu überwölben.

An seiner Technik ist nichts auszusetzen: sie fasziniert mit trockener Durchsichtigkeit. Altersgemäß gelingen ihm die virtuosen Sätze überzeugender als die langsamen.

Seine beiden Zugaben waren „der“ Liebestraum von Franz Liszt und Chopins Revolutionsetüde d-Moll op. 10 Nr. 12. Als Chopin sie schrieb, angeblich in einem Wutanfall über den Einmarsch russischer Truppen in Warschau, die den Kampf um die Unabhängigkeit Polens 1930/31 blutig niederschlugen, war auch er erst Anfang Zwanzig. – Man wüsste gern, wonach Seong-Jin Cho so leidenschaftlich fragt, wenn er sie spielt. Nur nach Fingersätzen?

DORIS KÖSTERKE

17.8.2018