„In C“ von Terry Riley im Weltkulturenmuseum

„In C“ von Terry Riley im Weltkulturenmuseum aufgeführt
(18.01.2017)

 

Selten blickt man bei Aufführungen „ernster“ Musik in so fröhliche Gesichter, wie jüngst im Weltkulturenmuseum: Inmitten der Ausstellung „Der rote Faden“ erklang Terry Rileys „In C“, als wären hier Grundzüge der Web- und Flechtkunst ins Akustische übersetzt.

Megumi Kasakawa blickte strahlend von einem ihrer Mitspieler zum anderen. Die Ensemble-Modern-Bratschistin hatte das frühe Stück Minimal Music mit Studenten und Kollegen in einem Workshop am Institut für zeitgenössische Musik (IzM) an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst (HfMDK) erarbeitet. „Ein tolles Stück und tolle Musiker“, schwärmte sie nach der gut einstündigen Aufführung und fügte hinzu: „Das ist kurz!“. Denn das 1964 entstandene Stück existiert nicht als Partitur im Sinne einer dramaturgisch durchgeformten Zeitstrecke, sondern lässt seinen Interpreten nach festen Regeln geraume Freiheiten: Jeder Musiker hat den gleichen Zettel auf den Notenständer, bedruckt mit 53 rhythmisch-melodischen Segmenten, die sich jeder Spieler mit seinem eigenen Ausdruck „zu eigen machen“ und nach eigenem Ermessen mehrfach wiederholen kann. Allerdings soll sich der Schwarm um nicht mehr als drei Segmente auseinanderziehen. Man braucht also ein ständig offenes Ohr für das, was die anderen machen. Vor allem muss das Metrum gewahrt bleiben, das durch ein vom Xylophon erbarmungslos gehämmertes „C“ (daher „In C“) vorgegeben wird. Der Stress ist groß, die Herausforderung, darin etwas Persönliches zu vermitteln, noch größer. Wenn dies gelingt, ist die Freude für alle Beteiligten umso größer, die sie in Blickkontakten miteinander und mit dem Publikum teilen, dem es ausdrücklich erlaubt war, sich während der Darbietung die Ausstellung anzuschauen: Etwa die buchstäbliche Verflechtung von traditionellem Handwerk und kritischer Kunst bei den beiden indigenen Künstlerinnen Sarah Sense und Shan Goshorn. Oder die Adoptionsmaske mit der zum Hereingreifen reizenden Lasche auf der Nase. Oder sich nach dem „Verstricken“ in den Gesetzen der Mode fragen und im Vergleich der Exponate mit mutmaßlich maschinell gefertigten Kleidungsstücken über das Verhältnis von Regeln und kreativer Freiheit nachdenken, während aus Rileys reich schattierter Regelmäßigkeit felszackengleiche Segmente herausragten, die mit 19 oder 62 Zählzeiten Länge das gängige Taktgefühl erfrischend gegen den Strich bürsteten. Und immer wieder schmunzeln.

DORIS KÖSTERKE

Am Mittwoch, 1. Februar, 19 Uhr findet in der Ausstellung ein weiteres Konzert statt: Mit eigens dafür geschaffenen, jeweils von folkloristischer Webkunst inspirierten Kompositionen von Raphaël Laguillat und Tobias Hagedorn.