cresc… 2017 – Zweiter Tag

„Take Death“

 

“Das Stück ist super. Für mich war es neu, aber das Ensemble Modern kennt es in- und auswendig“, sagte Ilan Volkov über „Take Death für 20 Instrumente & DJ“ von Bernhard Gander, das sich kontrast- und spannungsreich aus einem erbarmungslos gehämmerten Rhythmus entwickelt. Gespielt vom Ensemble Modern unter Volkovs klarem und energischem Dirigat beschloss das Stück das zweite Konzert des „cresc.“ – Festivals im hr-Sendesaal. Die Geschwindigkeit war enorm und brachte gerade die tiefen Instrumente, Kontrabass, Kontrafagott, Kontrabass-Klarinette und -Saxophon an die Grenzen ihrer Klangentwicklung: Während die Spieler Enormes leisteten, war der Klang außerordentlich amüsant. Der DJ (Patrick Pulsinger) durfte, wie der Komponist im informellen Nachgespräch „Pinkes Sofa“ sagte, dazu auflegen was er wollte, nur nicht Strawinskys „Sacre“: es hatte dem Komponisten als Vorbild gedient.

Der mit frenetischem Beifall bedachten Aufführung vorangegangen waren ein Impulsvortrag von Christina Weiss und zwei Uraufführungen. Die ehemalige (2002-2005) Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien stellte heraus, dass moderne Kunst, indem sie immer wieder Grenzen hinterfragt und neue Visionen erprobt, den Weg weisen kann für das ungewohnte Miteinander verschiedener Kulturen.

In „Spinning Lines“ von Martin Matalon spielte das Orchester auf akustischen Instrumenten, während die Solisten Jaan Bossier (Klarinette), Saar Berger (Horn) und Jagdish Mistry (Violine) mit elektronischer Hilfe fesselnde neue Klangmöglichkeiten entfalteten. Rhythmisch schien sich das Stück jedoch allzu lange vor Schluss festzureiten.

Mit einer geballten Ladung an Energie begann „Allheilmittel“ für Orchester mit Klavier und Hyperklavier von Martin Grütter. Der Prozess, in dem die Energie sich zerstreute und neu zusammenballte, schien schlüssig. Beim Hyperklavier, an dem Grütter seit einigen Jahren arbeitet, sind die Tasten eines Keyboard-Systems mit den Klängen verstimmter Klaviere belegt, so dass etwa beim Drücken einer Taste drei verschiedene Töne erklingen, die sich mikrotonal aneinander reiben. Meistens erinnerte der Klang an eine Steeldrum. Allerdings ließen sich die Glissandi, die sich von den Tasteninstrumenten aus ins orchestrale Geschehen ausweiteten, auf den 888 Tasten sehr viel lückenloser und geschmeidiger spielen als auf den 88 Tasten des Flügels.

DORIS KÖSTERKE