Dreißig Jahre Bad Sodener Musikstiftung

BAD SODEN / DARMSTADT-EBERSTADT. Musik ist seine Leidenschaft. Im Hauptberuf arbeitet der 1941 in Frankfurt geborene Jürgen Frei, der an der Hochschule für Welthandel in Wien promoviert hat, noch immer als Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Italienisch-Dolmetscher und im Vorstand der Darmstädter Dotter-Stiftung. Die Energie zu diesem Pensum schöpft er aus der Musik, besonders dem Bratschenspiel. Und aus Begegnungen mit Menschen, die im gemeinsamen Musizieren zusammenfinden. An diesem Freudenquell möchte er möglichst viele andere Menschen teilhaben lassen, unabhängig von deren Herkunft und Einkommen. Deshalb hat er zu seinem fünfzigsten Geburtstag die Bad Sodener Musikstiftung gegründet. Die Feier zum dreißigjährigen Bestehen soll 2022 nachgeholt werden.

Frühkindliches Singen

Über seine Stiftung möchte er vor allem das Musizieren von Laien fördern. „Wer selbst musiziert, hat einen ungleich intensiveren Zugang zur Musik als jemand, der nur zuhört“, betont Frei. Den Schlüssel sieht er im frühkindlichen Singen. Doch immer weniger Eltern singen noch mit ihren Kindern und auch in Kindertagesstätten und Schulen dominieren Lautsprecher die Musik. Deshalb setzt seine Stiftung beim Singen in Kindergärten an, um nach dem „Fahrstuhlprinzip“ alle Altersgruppen bis zum Seniorenmusizieren zu stärken.

Ein Foto auf der Website der Stiftung zeigt eine Gruppe von Waldkindergartenkindern, die mitten im Schnee zusammensitzen und singen. Die Ideen zu solchen Projekten stammen nicht zuletzt von Freis Frau Sabine Schaan. Die ausgebildete Opernsängerin ist Vorstandsmitglied und Künstlerische Leiterin der Stiftung.

Ihre eigene musikalische Prägung erhielt sie von ihrer Großmutter, die mit ihrer schönen Altstimme zu jeder Melodie eine zweite Stimme improvisieren konnte. „Dann war der Kinderchor bei uns im Dorf für mich das Größte“, erzählt sie. Später hat sie an St. Cecilia in Rom Gesang studiert. Und immer wieder an sich und anderen erfahren, was es heißt, sich „etwas von der Seele zu musizieren“: Emotionen von Liebe und Freude, aber auch von Trauer und Wut. „Früher habe ich Gitarre unterrichtet“, erzählt sie. „Irgendwann kamen alle Jugendlichen in das Alter, in dem Schule keinen Spaß mehr macht. Aber mit Musikstücken, die ihnen aus der Seele sprachen, haben sie sich beschäftigt und gemerkt: Allein das Dranbleiben lohnt sich ja! Diese Erfahrung haben sie auf die Schule übertragen. Und so wurden auch die Schulnoten wieder besser“.

Vom Bad Sodener Kinderchor Junge Kantorei erzählt sie: „Ihr Chorleiter Tobias Landsiedel war überrascht, wie gut die Kinder im Corona-Lockdown die Online-Proben annahmen. Sie übten sogar eifriger als sonst“. Für Sabine Schaan ist klar: „Die Kinder haben im Singen ihre Einsamkeit überwunden“.

Lust an der Musik vermitteln

Die Stiftung möchte auch Kinder in sozialen Brennpunkten erreichen. Weniger, um besondere Talente zu fördern. „Ich will Lust an der Musik vermitteln“, sagt Frei, auch über die Grenzen der eigenen Stiftung hinaus. In Zusammenarbeit mit der Dotter-Stiftung, für die Frei ebenfalls arbeitet, konnten Schaan und Frei an einer Grundschule in Darmstadt-Eberstadt mit sehr hohem Migranten-Anteil das „MoSi“, das Montagssingen, einführen: Am Montagmorgen treffen sich Schüler und Lehrer für zwanzig Minuten zum gemeinsamen Singen. „Die Kinder blühen auf“, freut sich Sabine Schaan. „Auch die Lehrer sind begeistert: früher hatten sie montags große Mühe, die Kinder zu fokussieren. Nach dem MoSi sind sie locker, fröhlich und aufnahmefähig“.

Zuhören

„Miteinander musizieren heißt, den anderen zuhören“, sagt Jürgen Frei. „Das Zuhören fehlt oft in unserer Gesellschaft, ist aber der Schlüssel für ein gutes Miteinander“. Für beides müsse man sich „Zeit geben, in seinem Leben eine Struktur schaffen“. Das ist der Erfolg, den Frei sich erhofft.

Ein aktuelles Projekt der Stiftung ist der Corona-Fonds: Dank erfreulich hoher Spenden kann die Stiftung drei Corona-Konzerte veranstalten. Die dazu eingeladenen Musiker haben die Hälfte ihres Honorars vorab erhalten, um ihnen über die Zeit hinwegzuhelfen, in der ihre Einnahmen aus Konzerten komplett wegfallen: Ohne Hilfe kommen sie neben vielfältigen Jobs nicht zum notwendigen Üben. Sabine Schaan und Jürgen Frei hoffen auf ein erstes Konzert, „Grüße aus Lateinamerika“, am 27.Juni 2021 in St. Katharina, voller „Lust an der Freude“.

DORIS KÖSTERKE
31.05.2021