Albrecht Mayer und Sinfonietta Cracovia

Er analysiert aufs Genaueste, plant mit strategischer Akribie, übt unmäßig viel, um alle technischen Schwierigkeiten souverän meistern zu können und verbirgt dann alles unter der benutzerfreundlichen Oberfläche des Musikantischen: Das Bild, das man von Albrecht Mayer als Oboist gewonnen hatte, rundete sich an diesem, „Mozarts große Nachtmusiken“ überschriebenen Abend im Kreuzgang vom Kloster Eberbach, an dem er in zwei Stücken rein als Dirigent zu erleben war. Sein drittes Instrument, neben Oboe und Englischhorn, war die hellwach reagierende Sinfonietta Cracovia mit ihrer besonders im fein ziselierten Pianissimo-Bereich magnetisierenden Klangkultur.

Mit minutiös abgestuften Kontrasten wurde Mozarts Kleine Nachtmusik architektonisch aufgefächert, allerdings auf Kosten des energetischen Flusses.

Über seinen guten Freund Joseph Fiala (1748-1816) schrieb Mozart, dass er „recht hübsch“ komponiere und „sehr gute gedancken“ habe. Von dem gebürtigen Böhmen, der auch selbst Oboist war, erklang das Konzert für Englischhorn und Orchester C-Dur. Umsichtig stellte Mayer seinen Notenständer niedrig genug ein, um den Kontakt zum Publikum nicht zu behindern. Fialas hübsche, schwebend leichte Musiksprache war der Mozarts nicht unähnlich. Die Entwicklung seiner „gedancken“ schien jedoch vorhersehbarer. Um die weit ausschwingenden Melodiebögen im langsamen Mittelsatz so bezaubernd wie nur irgend möglich zu gestalten, wandte Mayer die Zirkularatmung so exzessiv an, dass er blau anlief.

Über den Klangcharakter der Oboe lernte man in Mayers eigener Bearbeitung von Mozart Andante für Flöte und Orchester C-Dur KV 315 für sein Instrument die introvertierte melancholische Seite des hyperaktiven Gute-Laune-Komponisten lieben. Um den butterweichen Klang seines Instruments gleich noch einmal auskosten zu lassen, schob er an dieser Stelle die Zugabe ein, die Sinfonia aus Bachs Kantate „Ich hatte viel Bekümmernis“, bevor, mit Pauken und voll besetzter Bläserriege, Mozarts „Haffner-Sinfonie“ den Abend beschloss – zusammen mit der Eberbacher Farbensymphonie für weiße Mauern mit rotem Fachwerk, aus dem die Trauerweide sich wie eine Solistin erhebt, um vor dunkelblauem Samt-Himmel mit den Schieferdächern und den Silhouetten der Türmchen zu kommunizieren.

DORIS KÖSTERKE

10.8.2018