Klanggarten im Städel

Neue Musik trifft neue Kunst

 

 

„Klanggarten“ heißt ein neues Veranstaltungsformat. Dabei werden die Räume der Sammlung Gegenwartskunst im Städel von Mitgliedern der Jungen Deutschen Philharmonie bespielt. Mit Kompositionen, die etwa zeitgleich mit den Bildern und Plastiken entstanden sind. Zum gegenseitigen Erhellen der Kunstgattungen trugen im ersten Abend dieser Reihe etwa die geschmeidig und schattierungsreich gespielten Sechs Bagatellen für Bläserquintett (1953) von György Ligeti bei: Nachdem man sich den Exponaten des German Pop gewidmet hatte, hörte man besonders auf die Objets trouvés: das folkloristische Material darin.

Unerschrocken und mit wendiger Tongebung überzeugte Trompeter Felix Schauren mit einer Auswahl aus den Quattro pezzi für Trompete solo (1956) von Giacinto Scelsi: der wie improvisiert wirkende Fluss korrespondierte etwa mit den Großformaten von Hermann Nitsch. Die den weitläufig den Raumkomplex bespielenden Variations IV (1963) 
von John Cage machten diesen Ort akustisch erfahrbar als (idealerweise) gleichberechtigtes einander Durchdringen künstlerisch tätiger Menschen.

In der Nähe gesellschaftlich engagierter Bilder von Jörg Immendorff hinterfragten zwei der „10 Märsche um den Sieg zu verfehlen“ (1978/79) von Mauricio Kagel die Grundbestandteile jener harten musikalischen Viervierteltakt-Droge, die Menschen bereit macht, sich totschießen zu lassen.

In John Cages
 4’33’’ (1952)
 füllen die Geräusche der Umgebung das Schweigen der Musiker, wie Staub die ehemals weißen Leinwand von Gotthard Graubners Stylit. Schade, dass diese Aufführung nicht der Partitur folgte, die diese „Stille“ in drei Sätze gliedert. Das hätte nicht nur die Musiker in ihren Posen entlastet, sondern vor allem den Höreindruck strukturiert, um ihn bewusster wahrnehmen zu können.

Kunst und Musik der Gegenwart erfordern beide, dass man sich auf sie einlässt. Toll gemacht hatte das Ruth Eichenseher: sie hatte sich weit genug in die graphische Notation von Morton Feldmans Intersection 4 für Cello solo (1953) hineingefuchst, dass man die Interpretin als Mitautorin der Komposition wahrnahm, die bei jeder Aufführung anders klingt.

Die hundert Metronome zur Aufführung von Ligetis Poème symphonique (1962) waren auf der Treppe zum Ausgang aufgebaut. Schade, dass der Mitteilungsdrang einzelner Besucher den an volles Regenrauschen erinnernden Beginn begraben hatte. Aber schön, dass die Traube der aktiv Zuhörenden wuchs, während diese Aufführung, bedingt durch die erlahmenden Antriebsfedern der auf verschiedene Schlaggeschwindigkeiten eingestellten feinmechanischen Geräte, immer leiser wurde. Je weniger Metronome klackten, umso durchhörbarer wurden die sich verändernden Rhythmen. Als die beiden bis zuletzt verbliebenen Geräte durch Zufall simultan verstummten, löste sich die Konzentration in gemeinsames Lachen.

DORIS KÖSTERKE