„Zerbrechliche Gespräche“ und Georges Aperghis

Das „Glashaus“ hing voller Scherben. Zerbrochene Teller und Tassen waren zu Mobiles arrangiert. Vom Halbrund der Fenster gespiegelt schienen sie als Scherbenwolken über den Dächern zu schweben, als sei vom Dom bis zur Stephanskirche und in den weiten Fernen, die man von der gläsernen Kuppel auf dem Mainzer Theater aus überblicken kann, sprichwörtlich „viel Porzellan zerschlagen“ worden.

„Zerbrechliche Gespräche“ heißt das neue, zwischen szenischem Konzert, Installation und Klamauk vexierende Hörtheater, das in Mainz seine Uraufführung erlebte. Wo Gespräche zerbrechen, droht Gewalt. Nicht nur zwischen Liebespartnern und nicht nur in Form von zerschlagenem Porzellan. Doch was hilft die schwerste Suppenterrine gegen das „Ich habe Sie nicht verstanden“ einer freundlichen Automatenstimme?

Kernstück der musikalisch von Paul-Johannes Kirschner geleiteten Inszenierung von Anselm Dalferth sind Kompositionen von Georges Aperghis. Der 1945 in Athen geborene Komponist entwickelt seine Musik aus den Melodien, Rhythmen und Stimmfärbungen emotional gesprochener Sprache. Der vielschichtig rhythmisierte Sprechgesang, in dem Maren Schwier, Ludovica Bello, Johannes Gaudet und Paul-Johannes Kirschner spielerisch miteinander kommunizieren, erinnert vage an Griechisch oder Französisch, hat jedoch keinerlei semantischen Sinn. Umso reizvoller ist es, auf die schauspielerisch untermalten Zwischentöne zu hören, auf verborgene Botschaften und psychologische Vorgänge wie Winkelzüge im Geschäftsgespräch, ein von tausend Freundlichkeiten maskierter Zickenterror oder die Poesie von Unausgesprochenen.

Zum emotionalen Abkühlen spielt Paul-Johannes Kirschner am präparierten Flügel Sätze aus John Cages frühen „Sonatas and Interludes“, die von der traditionellen indischen Lehre von den Grundemotionen des Menschen mit ihrer gemeinsamen Tendenz zur Ruhe inspiriert sind.

Musikalisches Seelenfutter lieferten Rossinis Katzenduett und Zitate aus Verdis „Macht des Schicksals“, darunter die von Ludovica Bello mit stimmlichem Opernglitzer gesungene Arie „Pace, pace mio Dio“. Maren Schwier berührte sängerisch wie pantomimisch mit der Macht des Schmollens, Johannes Gaudet beeindruckte (unter anderem) mit virtuos rezitierten indischen Trommelsilben und Paul-Johannes Kirschner nicht zuletzt auch durch gekonnte Fallübungen nach wiederholten Kontakten mit ausgelaufener Schmierseife.

Musikalisches und Darstellerisches, die ins Grenzenlose weisende Bühne (Ausstattung: Lisa Maline Busse, Licht: David Neumann), die immer wieder überraschenden Übergänge und die Meta-Musik (Dramaturgie: Elena Garcia Fernandez), die die einzelnen „Nummern“ miteinander verbindet sind rundum gut gemacht!

DORIS KÖSTERKE
26.10.18