Camping als Lebens-Kunst

Camping kann elitär sein.
Nicht nur da, wo teure High-Tech-Ausrüstung finanzielle Potenz demonstriert.
Sondern vor allem da, wo man seinen Verzicht auf gewohnten Komfort als Stärke erlebt.

Der Verzicht kostet Überwindung. Vielleicht auch Kraft.
Kraft, von der man gar nicht mehr wusste, das man sie hat.

Gewohnheiten können wie ein Schutzwall sein: Sie können Halt geben. Aber sie engen auch ein. Möglicherweise geben sie dem Leben eine Richtung, die nicht unbedingt gut ist.
Den Schutzwall zu verlassen, schafft Orientierung, steigert die Lebendigkeit, öffnet den Blick für das, was einem wirklich wichtig ist, macht kreativ.

Daraus wächst ein elitäres Gefühl, das man still empfinden und genießen kann.

Minimalismus als Suche nach dem Wesentlichen

Sein Gepäck auf ein Minimum zu beschränken, ist eine hohe künstlerische Leistung.
Wobei es selten um ein absolutes Minimum geht.

Vor Jahren las ich eine Anleitung, wie in extremen Höhenlagen mit dem reduzierten Equipment eines Extrembergsteigers ein Kuchen zu backen sei, nebst einer Tabelle für die Dosierung von Backpulver in Korrelation zum abnehmenden Luftdruck.
Das öffnete mir die Augen für einen Wesenszug des Campings:

Selbst, wer mit vollgepacktem Auto zum Campingplatz fährt, erlebt das dialektische Verhältnis zwischen dem, was man zu brauchen meint und dem, was man transportieren kann.
Das gilt umso mehr für jemanden, der sein Gepäck über weite Strecken im Rucksack trägt.
Camping ist nicht zuletzt eine Suche nach dem ganz individuellen Wesentlichen, das immer auch ein wenig Luxus mit einschließen kann. Es gibt Ästheten, die auch der bescheidensten Mahlzeit ein gepflegtes Tuch unterlegen, oder das Messing ihres Primus-Kochers auf Hochglanz polieren.

Manches Minimalgepäck birgt mindestens ein gutes Buch. Mancher bewahrt sich am Grunde seines Rucksacks eine Kerze, oder einen feinen Tropfen, oder Schreibzeug und Papier, oder ein sorgsam gebügeltes Hemd.

Kaum etwas ist beim Wandern und beim Camping so hinderlich, wie ein Musikinstrument. Aber die Klampfe gehört für viele unbedingt mit auf große Fahrt. Gibt es ein schöneres Indiz für die essenzielle Kraft der Musik?

Man muss kein Philosoph sein, um Camping zu lieben. Aber es bereichert ungemein.
Und wer nach langer Fahrt in einer Badewanne schwelgt und sich danach etwas Feines munden lässt, hat Epikur verstanden.

2012