„Ich will in Menschen etwas zum Klingen bringen, das vorher stumm war“, sagt Francesca Venturi Ferriolo. Sie lebt in Frankfurt, arbeitet als freischaffende Barock-Bratschistin, lehrt an der Musikschule in Hofheim und schreibt an ihrer Doktorarbeit über das Repertoire für Solo-Bratsche.
Zurzeit fehlen ihr die Konzerte: „Es ist so schön, wenn nach einem Konzert jemand zu mir kommt und ganz glücklich sagt: ich habe geweint“.
Ein Gespräch mit Bratschistin Francesca Venturi Ferriolo
Geboren ist sie in Mailand, aufgewachsen in Rom. „Als Kind habe ich mit Geige angefangen. Aber als ich ungefähr neun Jahre alt war, hörte ich in der Musikschule einen Bratscher. Ich fragte ihn, ob ich sein Instrument einmal ausprobieren dürfte. Da hat mein ganzer Körper zusammen mit dem Nachklang vibriert. In diesem Moment habe ich entschieden, dass die Bratsche meine Stimme sein wird“.
Der Berufswunsch war damals noch weit weg. „Meine Eltern waren keine Musiker. Deshalb bin ich ganz normal aufgewachsen, habe viel Sport getrieben, viel getanzt, aber nur wenig geübt“, erzählt sie munter. „Und viele Bücher gelesen. Wenn ich meinen Vater etwas gefragt habe, hat er mir ein Buch gegeben und gesagt: lies erstmal. Später haben wir darüber gesprochen“.
Philosophin der Bratsche
Somit hatte die Tochter eines Philosophieprofessors ihr Philosophiestudium bereits als Kind begonnen. Als sie es an der Uni fortsetzte, bekam sie viel Anerkennung: „Von mir werde man noch hören, meinten sie nach einer Prüfung. Da sagte ich ganz spontan: Ja, aber als Bratscherin“.
Erst in diesem Moment hatte sie für sich die Weichen gestellt. In einem Alter, in dem andere schon ihre Wettbewerbs-Erfolge vor sich hertragen. „Da hatte ich viel aufzuholen und habe manchmal auch zuviel geübt. Aber ich habe es nie bereut. Wenn ich Bratsche spiele, spüre ich das Leben in mir. Die Philosophie bleibt natürlich immer dabei“.
Viola da braccia, nicht „da gamba“
Bekanntlich heißt die Bratsche auch Viola und im Übrigen so, weil man sie auf dem Arm hält, der auf Italienisch la braccia heißt. Dabei wäre es nicht nur für den Spieler gesünder, sie senkrecht wie eine nach dem italienischen Wort für Bein benannte Viola da Gamba zu halten, bei der allerdings der Körper nicht so schön mitvibriert: Die körperlichen Grenzen, die die Haltung auf dem Arm mit sich bringen, haben dem Instrument so große klangliche Kompromisse abgefordert, dass Spötter meinen, sie hieße so, weil sie „braaatsch“ macht.
Jede Bratsche ist anders
Im Gegensatz zu den weitgehend standardisierten Geigen und Celli hat jede Bratsche hat ihre eigenen Abmessungen und Klang-Eigenschaften. „Wie man damit umgehen soll, kann einem kein Lehrer sagen. Das muss man allein die Bratsche fragen“, sagt Venturi Ferriolo, der gerade das an ihrem Instrument gefällt. Von Petra Müllejans und Mechthild Karkow am Institut für Historische Interpretationspraxis (HIP) an der Frankfurter Musikhochschule bekam sie die entscheidenden Impulse in Richtung Barockmusik, in der Noten nur das Gerüst für eigene Improvisationen sind und jeder Ton seine eigene intime Sprache spricht.
Mehr als eine stumpfsinnige Füllstimme
Ihre Debut-CD dürfte die erste mit barocken Sonaten für Viola solo sein. Und auch die erste mit drei verschiedenen Tasten-Instrumenten zur Begleitung: Pianistin Hwa-Jeong Lee hat zu allen dreien ein so differenziertes Verhältnis, wie Francesca Venturi Ferriolo zu ihrer Bratsche. Dazu gibt Continuo-Cellist Johannes Berger sinnvolle Impulse. Der Titel, „More than a dull ripieno“, mehr als eine stumpfsinnige Füllstimme, ist ein Zitat von einem der darauf vertretenen Komponisten, William Flackton. Die CD zu hören macht Mut, mehr zu sein, als eine Füllstimme im Gefüge der Gesellschaft.
Doris Kösterke
25.3.2021
More Than A Dull Ripieno. Werke von J. G. Graun, C. Ph. E. Bach, Johann Gottlieb Janitsch, F. Giardini und W. Flackton. Francesca Venturi Ferriolo (Viola), Johannes Berger (Violoncello), Hwa-Jeong Lee (Hammerklaviere, Cembalo). Da Vinci Classics P&C 2020.