Wärmendes Feuerchen im Städel

Unter Hindemiths Musik wirkte Emil Schumachers abstraktes Bild „Ohne Titel“, als hätte jemand im Grau der Ruinen ein Leib und Seele wärmendes Feuerchen entzündet und Bernhard Schultzes „Endymion“ wie sprühende Lebenslust unter Tränenschleiern. Mit musikantischem Feuer hatte das Webern Trio aus Akemi Mercer-Niewöhner (Violine), Dirk Niewöhner (Viola) und Ulrich Horn (Cello) vor diesem Bild im Untergeschoss des Städel drei Sätze aus Hindemiths Erstem Streichtrio gespielt.

Wieder einmal bestritten Musiker aus dem hr-Sinfonieorchester ein Wandelkonzert, in dem man zwanglos zwischen parallelen Kammermusiken in den drei Abteilungen Alte Meister, Kunst der Moderne und Gegenwartskunst wählen und gegebenenfalls von einer zur anderen pilgern konnte.

Vor den “Argonauten” von Anselm Kiefer korrespondierten Dialoge zwischen Violine (Florin Iliescu) und Klarinette (Magdalena Faust) im Oktett B-Dur op. 62 von Ferdinand Thieriot mit den Schleifenkleidchen am rechten und linken Bildrand. Dass das Kleidchen-Motiv auch im unteren Bildteil „resoniert“ sah man erst, als nicht mehr ganz so viele Menschen davorstanden. Zur humoristischen Aufwertung der Komposition griff Hornist Marc Gruber für ein markiges Pizzicato auf den Kontrabass von Dennis Pientak über. Zusammen mit den Genannten begeisterte die Spielfreude von Alexandra Raab (Violine), Ludwig Schulze (Viola), Nica Brnic (Violoncello) und Daniel Mohrmann (Fagott).

Das Trio Marie aus Ludwig Schulze (Violine), Magdalena Faust (Klarinette) und Mizuka Kano (Klavier) spielte Béla Bartóks Kontraste so farbig, dass sie in den graustufigen Bildern von Gerhard Richter nachhallten.

In den Gefilden der Alten Meister, wo, jeweils von Lucas Cranach d. J. gemalt, Melanchthon sich demonstrativ von der Venus abzuwenden scheint, der Luther über seine Leibesfülle hinweg in die Mandelaugen sieht, spielte Malte Neidhardt lustvoll Drei Stücke für Posaune solo von Giacinto Scelsi.

In verschiedenen Etagen spielte Sung-Huyck Hong die Kadenza für Kontrabass solo von Teppo Hauta-Aho: Im Untergeschoss, in Lautstärke-Konkurrenz zu den Geräuschen von der Bar, hörte man sie eher mit den Augen, als Zirkusnummer der erweiterten Spieltechniken. In der Kuppel-Akustik vor Jan van Eycks „Lucca-Madonna“ bewunderte man das Kaleidoskop der Einfälle des finnischen Freejazzers und die stimmige Haltung des Kontrabassisten zu seinem unhandlichen Instrument.

Zu den Schätzen und der Atmosphäre des Städel genoss man die Nähe zu denen, die sonst in den Reihen des Orchesters verborgen sind, mit ihrem Können, ihrer Leistungsbereitschaft, ihrer emotionalen Wärme und Hingabe.

DORIS KÖSTERKE

10.11.18