The Brandenburg Project – Triceros von Steven Mackey

Expedition Sound – „Brandenburg Project“ beim Rheingau Musik Festival

 

 

„The Brandenburg Project“ des Swedish Chamber Orchestra verbindet jeweils eins von Bachs Brandenburgischen Konzerten mit einer zeitgenössischen Komposition, die von dieser von dieser fast dreihundert Jahre alten Herausforderung inspiriert ist. Beim Rheingau Musik Festival in der Basilika von Kloster Eberbach erlebte man die erste derartige Verbindung von Vertrautem und Abenteuer, die das Vertraute in neues Licht setzt. Im Ersten Brandenburgischen Konzert F-Dur BWV 1046 lag der Fokus auf der Instrumentation des Concertinos mit zwei Hörnern, drei Englischhörnern, Fagott und Violino piccolo. Es mochte mit dem Dirigat von Thomas Dausgaard zusammenhängen, dass man im Swedish Chamber Orchestra in vornehmlich strahlende Gesichter blickte, mit denen sich ein entsprechend lustvoll zupackendes, geschmeidiges Spiel verband. In den kammermusikalischen Abschnitten überließ Dausgaard angemessener Weise den Solisten selbst die Koordination ihres Zusammenspiels. Mit lange hochgereckter Hand schien er auch den physischen und psychischen Nachhall der Stücke zu dirigieren, mit der Bitte, das Entstandene nicht gleich kaputt zu klatschen.

Bachs Instrumentation inspirierte den 1960 geborenen Mark-Anthony Turnage in „Maya“ zu einem „Konzertieren“ (im Sinne von Wetteifern) der Cello-Performerin Maya Beiser mit zwei Hörnern, zwei Oboen und Kammerorchester. Beiser agierte mit vielen souligen Portati und großen Gesten der Sehnsucht, Leidenschaft und der großen Gefühle, dramatisch schattiert von Klangeffekten ihrer Cellokollegen im Orchester. Der Höreindruck dieser Deutschen Erstaufführung erweckte den Verdacht einer Dominanz des Effekts gegenüber der Substanz.

Das ungemein wendige und klangschöne Spiel von Håkan Hardenberger auf der Piccolo-Trompete prägte das Brandenburgische Konzert Nr. 2 F-Dur BWV 1047. Der Mittelsatz war voller Leidenschaft, besonders bei Geigensolistin Antje Weithaas. Mitten in der Schlusskadenz schien die Tonalität zu entgleisen und in neue Klangwelten hinüberzugleiten: offenbar der Beginn von „Triceros“ für Trompete und Kammerorchester von Steven Mackey (*1956). Es ist nach dem Dreihorn-Chamäleon benannt, weil der Solist, in diesem Falle Håkan Hardenberger, seinen wandlungsfähigen Klang über drei „Hörner“ erzeugt, Piccolo-Trompete, Trompete in C und Flügelhorn. Das Spektrum von satten über gleißende zu filigranen Klangfarben wurde als heiter und erfrischend empfunden. Die Form allerdings erinnerte an einen rhapsodisch sortierten Gemischtwarenladen: es gab idiomatische und thematische Fragmente in Fülle, ohne dass man eine verbindliche Weiterverarbeitung, einen zwingenden inneren Zusammenhalt spürte – eben nicht wie bei Bach, dessen originale, zu Beginn des 2015 komponierten Werkes vorbehaltene Schlusskadenz des 1720 komponierten Zweiten Brandenburgischen die rund dreihundert Jahre überspannende Klammer schloss.

DORIS KÖSTERKE