Geigerin Noa Wildschut begeistert in Mainz

 

Die junge Geigerin Noa Wildschut siegt bereits über alle Vorbehalte, sobald sie mit ihrem verschmitzten Lächeln auf die Bühne kommt. Im Mainzer Meisterkonzert „Hochbegabt“ spielte sie im Großen Saal im Mainzer Schloss mit der Deutschen Radio Philharmonie das Dritte Violinkonzert h-Moll op. 61 von Camille Saint Saens: zupackend, mit warm abgedunkeltem Ton, in dem man bereits ihre Mentorin Anne-Sophie Mutter zu spüren meinte. Die gerade erst volljährig gewordene Niederländerin überzeugt als ungebrochene Einheit von Geist, Gefühl und reger Fantasie: Bisweilen meint man ihrem Gesichtsausdruck die mnemotechnischen Eselsbrücken anzumerken, mit denen sie technische Schwierigkeiten souverän meistert und wirkungsvolle Impulse vorbereitet. Ihre Musikalität empfand man als völlige Abwesenheit von Blockaden. Offen baute sie Blickkontakte zu jeweiligen Musizierpartnern im Orchester auf und startete regelrechte „Angriffe“ auf die Dirigentin Anja Bihlmaier, die diese Energie in „Gegenangriffe“ des Orchesters umwandelte. Dass diese Aufführung durch und durch spannend blieb, verstand man ebenfalls als Erbe ihrer Mentorin, über die Noa Wildshut einmal in einem Interview mit David Smith sagte: „das Wichtigste, was ich von ihr gelernt habe, ist, auf der Bühne zu kreieren und zu «improvisieren»: Jedes Mal, wenn sie ein Stück spielt, spielt sie es anders, als in der Zeit zuvor“. Ihre Zugabe war das Andante aus der Zweiten Solo-Suite von Johann Sebastian Bach, BWV 1003.

Nach der Pause hatten sich die Reihen deutlich gelichtet, als wollten viele diesen wunderbaren Eindruck nicht durch die Erste Sinfonie c-Moll op. 11 verschütten, die Felix Mendelssohn-Bartholdy im zarten Alter von 15 Jahren geschrieben hatte. Von der Aufführung hätte man sich bisweilen mehr Dosierung der vollen Orchesterkraft und mehr Detailarbeit, etwa in der Konturierung des Kopfthemas im Finalsatz gewünscht, doch der schwungvolle und süffige Gesamteindruck kam gut an. Schon der Beginn des Konzerts mit Bachs Zweitem Brandenburgischen war bemerkenswert: eine gegenüber der symphonischen Besetzung stark reduzierte Anzahl an Geigern und Bratschern agierten im Stehen, ebenso wie das geschmeidig aufeinander reagierende Concertino aus (leider  Ventil-)Trompete (Laura Vukobratović), Blockflöte (theatralisch: Stefan Temmingh), Oboe (Veit Stolzenberger) und der Geigerin Margarete Adorf. Den langsamen zweiten Satz begann Letztere mit einem dermaßen gut ausgereiften und ausgehörten Solo, das den anderen kaum Chancen ließ, es an Schönheit zu überbieten.

DORIS KÖSTERKE
08.12.2019