WIESBADEN. Diese wunderbaren Musiker aus der Nähe zu erleben, war pures Vergnügen: In ihrem Ersten Kammerkonzert der Saison, das sie dem Musikverlag Breitkopf und Härtel zum dreihundertsten Geburtstag widmeten, zeigten sich die Mitglieder des Hessischen Staatsorchesters hellwach, hoch motiviert und mit ansteckendem Spaß aneinander im Foyer zum Großen Haus des Staatstheaters. Die Frühzeiten dieser Reihe, in denen man das Gefühl hatte, einer kollektiven Blattspielübung eingefleischter und saturierter Befehlsempfänger beizuwohnen, scheinen endgültig vorbei. In diesem deutlich verjüngten Kreis trug spürbar jede(r) mit an der Verantwortung für das Gelingen und sprühte vor Initiative. In allen Stücken dieser Matinee beteiligt hielt Pianistin Erika le Roux die dramaturgischen Fäden fest in der Hand und aufmunternden Blickkontakt zu allen Mitspielern. Wunderbar selbstbewusste Impulse kamen auch vom Cellisten Tobias Galler, einem wahren Magier, technisch souverän, mit sicherem Instinkt für Klang, Timing, Phrasierung und allem, was sich nicht benennen lässt. Mit ungetrübtem Blick auf das Ganze und die eigene Rolle darin beeindruckte ganz besonders auch der junge Kontrabassist Nicola von Goetze.
Den illustren Komponistennamen zum Trotze ließ die Qualität der Kompositionen im ersten Teil des Konzerts zu wünschen übrig: allzu klischeegemäß verlief das Septett Militaire C-Dur op.114 von Johann Nepomuk Hummel (1778-1837). Laut Sebastian Mohr, dem kaufmännischen Leiter des Verlags, stammte es aus dem Programm eines aufgekauften Verlages. Der Reiz im Konzertstück Nr. 1 f-Moll op. 113 von Felix Mendelssohn Bartholdy lag immerhin im Erleben eines Bassetthorns. Laut Mohr nicht mehr im Verlagsprogramm gepflegt werden die (angeblich???) von Beethoven arrangierten Irischen Volkslieder. Angesichts der überwiegend einfallslosen Streicherbehandlung sind sie mit Recht „ohne Opus“ (WoO 152 & 154) geblieben. Den Beifall verdiente der authentische Vortrag durch den irischen Bariton Benjamin Russell, der in beredten, nur zum Teil im Notentext skizzierten Verzierungen von seinem Recht auf Improvisation Gebrauch gemacht hatte.
Ganz anders der melancholische zweite Teil des Konzerts: berückend klangsinnlich spielten Erica le Roux, Karl-Heinz Schultz und Tobias Galler das „Notturno“, Adagio Es-Dur D 897 für Klavier, Violine und Violoncello von Franz Schubert. Mit dankbaren Blicken für interpretatorische Steilvorlagen und weitergetragene Impulse komplettierte Bratscherin Sabine Schultz die Obengenannten zum Klavierquartett Es-Dur op. 47 von Robert Schumann. Der offizielle Teil schloss mit Valse triste samt anklopfendem Tod aus dem Drama „Kuolema“ von Jean Sibelius. Ein irisches Trinklied als Zugabe kehrte zur Geburtstagsfeier zurück.
Doris Kösterke
1.9.2019