Das Geheimnis von Laurence Cummings

Er baue auf die Ohren der Musiker. Und auf die Zugwirkung des Cembalos. Dann müsse er nicht viel dirigieren, sagte Laurence Cummings im Einführungsgespräch zum jüngsten „Barock+“-Konzert im Sendesaal des Hessischen Rundfunks. Das gerechtfertigte Vertrauen in die hoch qualifizierten Musiker des hr-Sinfonieorchesters; in ihr feines Gespür für das Spielen mit Klängen und Energien; in ihre Fähigkeit, Verantwortung für das Ganze zu übernehmen und ihren ureigenen Teil dazu beizutragen schien das gewisse Etwas, das diesem Konzert seine enorme Farbkraft, Klangsinnlichkeit, Wärme und Lebendigkeit gab.

Weil der präzise optische Impuls fehlte, ergaben sich winzige Unschärfen und damit eine Weichheit, die man insbesondere in langsamen Sätzen als wohltuend empfand. Rasche Sätze waren erwartungsgemäß entschleunigt und über ein paar offensichtlich verklapperte Einsätze hörte man gern hinweg, auch, um die grundsätzliche Offenheit dieses Klangkörpers zu würdigen.

»Hamburger Ebb‘ & Fluth«

Der Abend begann mit der als »Hamburger Ebb‘ & Fluth« bekannt gewordenen Orchestersuite C-Dur, die Georg Philipp Telemann für ein Festbankett zum hundertsten Bestehen der Hamburgischen Admiralität geschrieben hatte. Ihre Sätze tragen phantasieanregende und orientierungstiftende Überschriften wie „Die schlafende Thetis“ oder „Der stürmende Aeolus“. Die Gestaltung war farbenreich, mit berückend schönen solistischen Beiträgen von Oboen und Cello. In der „Canarie. Die lustigen Bots Leute“ meinte man das Stechen der Paddel zu hören. Der kollektive „Ahoi!“-Ruf der Musiker nach dem Schlusston verfehlte auch in Frankfurt seine humoristische Wirkung nicht.

Vivaldis Fagottkonzert e-Moll würdigte den demnächst scheidenden ersten Solo-Fagottisten des Orchesters, Ralph Sabow. Während seine virtuose Spielweise Spielfiguren zu Farbwerten verflirren ließ, beeindruckte auch seine hervorragende Zusammenarbeit mit seinen Orchesterkollegen, insbesondere mit den Continuo-Streichern: während der Cellist nah am Cembalo mit Laurence Cummings saß, hielt der Kontrabassist den Kontakt von seinem angestammten Platz aus, über eine enorme räumliche Entfernung, was die Konzentration, auch der Zuhörer, noch zu verstärken schien. In Händels Orgelkonzert F-Dur op. 4 Nr. 4 saß Cummings als Solist mit dem Gesicht zum Publikum, so dass das Orchester mehr denn je auf sich gestellt war. Wie schon im vorangegangenen Fagottkonzert agierte das Orchester auch hier als im besten Sinne des Wortes „konzertierender“ Widerpart des Solisten, in einem geregelten Wettstreit, gewürzt mit Klangeffekten, die aus dem Stuhl hoben, wie hoch registrierte Orgel mit den hohen Geigen. Den krönenden Abschluss bildete die 1. Suite F-Dur aus Händels „Wassermusik“ mit berückend schönen Holzbläsergeflechten, wackeren Natur-Hörnern, plastischen Echo-Wirkungen und erfrischend herausgearbeiteten Ohrwurm-Synkopen im Schlusstanz „Hornpipe“.

DORIS KÖSTERKE

Das Konzert wird am Dienstag, den 5. März 2019 ab 20:04 Uhr gesendet, kann aber als Livestream im Internet unter hr2-kultur.de gehört werden.