Tamar Halperin und Andreas Scholl

Sie begeisterten ihr Publikum und taten noch Gutes darüber hinaus: Andreas Scholl und Tamar Halperin gaben beim Rheingau Musik Festival ein Benefiz-Konzert für „Bärenherz“: Die Wiesbadener Stiftung steht unheilbar kranken Kindern und ihren Familien zur Seite, insbesondere in Kinder-Hospizen.

„Twilight people“ hatte das im Rheingau beheimatete Musiker- und Elternpaar sein Konzert im Fürst-von-Metternich-Saal auf Schloss Johannisberg überschrieben. Das Programm bestand aus Liedern, die im zwanzigsten Jahrhundert geschrieben wurden, in Klang-Ästhetik und Textaussage jedoch mindestens ins 19. Jahrhundert zurückgreifen. Namensgebend, auch für die geplante CD, war ein von Ralph Vaugham Williams (1872-1958) vertontes Gedicht des irischen Dichters Seumas O’Sullivan (1879-1958), in dem es um verlorenes Wissen geht. „West is lost“, befürchtet auch Ari Frankel in seinem Lied „The Rest“ (aus: „Wiping Ceramic Tiles“). Über Terzen-reicher Klavier-Begleitung beeindruckte darin das Spannungs-Management des Countertenors in weit gespannten Atembögen. Aus den „Old American Songs“ von Aaron Copland (1950) erklang unter anderem „I Bought Me a Cat“, in dem sich die Aufzählung angeschaffter Tiere zu einem Bandwurm an Tierstimmen-Imitaten summiert. Als schließlich auch eine Ehefrau „gekauft“ wurde, meldete sich Tamar Halperin zur weiteren Erheiterung des Publikums vom Klavier aus mit einem „nag, nag“ („keif, keif“).

Insgesamt überwogen in den Liedern von Alban Berg, Arvo Pärt, Benjamin Britten und anderen jedoch die lyrischen und nachdenklichen Themen. In leisen Tönen entfaltete die Stimme von Andreas Scholl ihr unvergleichliches Charisma bei exzellenter Textverständlichkeit. Aufhorchen ließen die orientalisierenden Klänge in „Beauty is Life“ des in Kairo geborenen Kopten Joseph Tawadros über Schönheit, Ewigkeit und verschleierter Erkenntnis. Von Rabindranath Tagore stammte der nach Ivrit übersetzte Text der ersten Zugabe, “Al Na Telech”, auf eine Melodie, die Shlomo Gronich über Bachs C-Dur-Präludium (aus BWV 846) gelegt hat. Die zweite Zugabe war das schottische Volkslied “Waly Waly”, bearbeitet von Tamar Halperin.

Die in Israel geborene, unter anderem an der New Yorker Juilliard-School und der Schola Cantorum Basiliensis ausgebildete Pianistin war in Stücken von John Cage allein zu hören: Zwar scheint „Jazz Study” (1942) gar nicht von ihm zu sein und auch in „Soliloquy“ (1945) und „In A Landscape“ (1948) war er noch lange nicht der Komponist, der seine Musik auf Prinzipien baute, die er seinen Mitmenschen auch im Rest des Lebens für einen besseren Umgang mit sich selbst und ihrer Lebensgrundlage empfahl. Aber Tamar Halperin beeindruckte durch das vorbehaltlose Sich-Versenken in die ein Eigenleben entwickelnde Klangwelt und es wuchs der Wunsch, mehr von ihr zu hören.

DORIS KÖSTERKE
06.08.2019