Dies sei ein besonders guter Jahrgang, raunt man in Kennerkreisen und meint die aktuellen Stipendiaten der Ensemble Modern Akademie (IEMA 2018/19). Gegenwärtig profitieren 14 junge Musiker, darunter sieben Frauen, im Rahmen eines Masterstudiengangs für ein Jahr von den Erfahrungen des Ensemble Modern. Das Ulysses Netzwerk ermöglicht ihnen darüber auch internationale Auftrittsmöglichkeiten. Derzeit legen sie im Kleinen Saal der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst ihre Semester-Prüfungskonzerte ab.
Zu Beginn des ersten Konzerts, in Les Citations von Henri Dutilleux für Oboe (mit gutem Timing in Kantilenen wie in Pausen: Melanie Rothmann), Cembalo (silbrig blumig: Emmanuelle Fleurot), Kontrabass (mit magnetischer Konzentration: Dominique Chabot) und Schlagzeug (niemals zu laut: Vera Seedorf) war der hohe Adrenalinspiegel bei allen Beteiligten sichtbar. Die vom Komponisten gewünschte magisch-mysteriöse Stimmung schien dadurch noch an Intensität zu gewinnen. Besonders beeindruckten die fein abgestimmten Unisono-Passagen: als würden (frei nach einer Karikatur von Hans Traxler) Geier, Goldfisch, Robbe und Elefant gemeinsam und erfolgreich einen Baum erklimmen.
Wer „Flurries“ von Brian Ferneyhough Ende Januar im Workshop mit dem Komponisten erlebt hatte, staunte, wie sehr viel unverkrampfter und dadurch intuitiv zugänglicher die Interpretation in dieser vergleichbar kurzen Zeit geworden ist. In seinem Beginn, einem hochvirtuosen Duo zwischen Geige (Mishi Stern) und Cello (Nathan Watts), tat Dirigent Musashi Baba das Bestmögliche: er überließ die Koordination den Spielenden selbst.
Nathan Watts möchte klassische Musik „für alle“ zugänglich machen. Indem er jede seiner Partien mit Geist, Emotion und körperlicher Bewegung erfühlt und erfüllt hat, ist ihm das an diesem Abend gelungen, ganz besonders überzeugend auch in Vues aériennes von Tristan Murail und im gliedernden Pizzicato-Schlagabtausch mit Mishi Stern in Christopher Trapanis Ensemblestück Half of Me is Ocean, Half of Me is Sky, einer poetischen Unterhaltung, der auch Justine Ehrensperger (Flöte), Sergi Bayarri Sancho (Klarinette) und Robin Kirklar (Viola) einen mit Emotionen und mit Leben gefüllten Sinn gaben.
Die Überlegungen, was hätte man tun können, um die zahlreichen Wiederholungen in Samarkand für Klavier (höchst aufmerksam gegenüber seinen Mitspielern: Martin Pérénom) und Bläserquintett von Claude Vivier bei der Aufführung zu einem weniger ermüdenden Ganzen zu überformen, wurden von begeistertem Beifall ausgelöscht. Er galt vor allem der Hornistin Ona Ramos Tintó für ihre gliedernden Naturton-Soli.
DORIS KÖSTERKE
(04.04.2019)
Weitere Auftritte des IEMA-Ensembles 2018/19 in Frankfurt im Rahmen der Neue Musik Nacht am 30. April, sowie am 14. und 15. Juni im F°LAB.