„ewig und mild“ von Gerhard Müller-Hornbach

Uraufführung zur Eröffnung

der 42. Fränkischen Musiktage in Alzenau

Feine Streicherklangfäden führen einzelne Töne aus einem Harfen-Akkord fort, als wollten sie wenigstens einzelnen Aspekten des vergänglichen Klangs eine Brücke in Richtung Ewigkeit bauen. Im Eröffnungskonzert der 42. Fränkischen Musiktage im Rittersaal der Burg Alzenau wurde „ewig und mild“ von Gerhard Müller-Hornbach uraufgeführt, „Reflexionen für Tenor, Harfe und Streichsextett“ über das Neunte aus dem Ersten Teil von Rilkes Sonetten an Orpheus: „Nur wer die Leier schon hob auch unter Schatten, darf das unendliche Lob ahnend erstatten. – Nur wer mit Toten vom Mohn aß, von dem ihren, wird nicht den leisesten Ton wieder verlieren. – Mag auch die Spieglung im Teich oft uns verschwimmen: Wisse das Bild. Erst in dem Doppelbereich werden die Stimmen ewig und mild.“ Müller-Hornbach übersetzte die „Schatten“ in huschende Klangschatten; der „Ton“ war ein auffälliger hoher, „verlieren“ ein Glissando, dem eine zweite Stimme rasch zu folgen scheint, wie jemand, der etwa ruft: „warte – dein Schlüssel!“. So betrieb Müller-Hornbach eine Textausdeutung, die den Text noch rätselhafter machte und seine Poesie noch steigerte, zumal in der sehr konzentrierten und intensiven Interpretation durch den angenehm weich timbrierten Tenor Ralf Emge und die jungen Streicher des Ensembles Music Campus RheinMain 2017, die Kaamel Salah-Eldin sehr dezent vom ersten Cellopult aus leitete.

Der überaus herzliche Beifall kam auch von bekennenden Neue-Musik-Skeptikern. Dennoch war es eine gute programmatische Idee, die Uraufführung mit Kulinarischem von Schubert (Nachthymne D687, „Lied des Orpheus als er in die Hölle ging“ D474) und Monteverdi („Possente spirto“ aus „L’Orfeo“, mit reichen Improvisationen von Ralf Emge) zu verbinden. Aparter Weise wurde die Rolle von Klavier, Cembalo oder Theorbe von Enea Cavallo mit der Harfe übernommen. In ihrem eingeschobenen Vortrag über „Die Bedeutung von Orpheus für die Musikgeschichte“ beleuchtete Melanie Wald-Fuhrmann die zentrale Figur dieses Abends, die sich im Mythos mit der Leier ein Transit durch die Unterwelt erwirkte: In zahllosen Adaptionen dieses Stoffes reflektiert die Musik ihre Aufgabe für die Welt.

Den langen Abend schloss Schuberts selten aufgeführte Goethe-Vertonung „Gesang der Geister über den Wassern“: Mit acht solistisch besetzten Männerstimmen (Vocalsolisten Frankfurt), zwei Bratschen (Karolina Errera, Anuschka Pedano), zwei Celli (Kaamel Salah-Eldin, Clara Pouvreau) und Kontrabass (Nicola Vock) ein geradezu magisches Erlebnis.

DORIS KÖSTERKE

 

Als “Festival der Jungen” stellen die Fränkischen Musiktage noch bis zum 26.11.2017 an verschiedenen atmosphärischen Spielstätten und in vielversprechend-ungewöhnlichen Programmen hochrangige Interpreten vor, darunter viele junge Gewinner internationaler Musik-Wettbewerbe. Infos unter https://www.fraenkische-musiktage.de/.