Eröffnung des Festivals Rheingau Sommer

 

ELTVILLE-ERBACH. „Ein mit achtzig Zuhörern ausverkauftes Konzert“, seufzt Bruno M. Brogsitter, Geschäftsführer des Festivals Rheingau Sommer. „Burghofspiele“ kann man es derzeit kaum nennen, denn der namensgebende Schauplatz steht derzeit dafür nicht zur Verfügung. „Wir sind glücklich, wenn wir auch diesen Sommer halbwegs schadlos überstehen“, sagt Brogsitter. …weiterlesen

„Klassik-Band“ Spark als Gast der Klosterkonzerte

 

FRANKFURT. Als Gast der „Klosterkonzerte“ zeigte das Ensemble Spark in seinem Programm „Be Baroque“, was gute Musik ist. Die fünf Musiker hatten sich 2007 zur „Klassik-Band“ Spark zusammengeschlossen, um Meisterwerke der Musikgeschichte so zu vermitteln, dass sie zünden, wie Rockmusik. Ohne Elektronik, ohne Showeffekte. Nur mit Blockflöten, Geige, Cello und Klavier. Vier Jahre später wurden sie mit dem ECHO Klassik ausgezeichnet.

Bei ihrem Konzert im Karmeliterkloster begeisterten sie trotz erschwerter Bedingungen: Indem das Publikum ausgeschlossen blieb, fehlten nicht nur die „Dämpfer“ gegen die Überakustik im Refektorium. Ihr Musizierstil ist auf Blickkontakte mit dem Publikum ausgelegt, die beim Aufschaukeln von musikalischen Energien wie Katalysatoren wirken: Die Blockflötisten Andrea Ritter und Daniel Koschitzki und die Streicher Stefan Balazsovics (Geige) und Victor Plumettaz (Cello) spielen auswendig. Nur Pianist Christian Fritz hat Blätter vor sich, die eher Improvisations-Skizzen als Noten ähneln. Flötisten und Geiger agierten im Stehen. Das erfordert und steigert eine uneingeschränkte Präsenz und Vitalität.

Gute Musik braucht diese Präsenz und Energetik, aber auch hochwertige Substanz nebst ebenso hochwertiger „Rückverdünnung“: den Spielern muss durch und durch klar sein, was sie spielen und mit welchen Mitteln sie die Wiederbelebung durch die Interpretation vornehmen. Da machen es die Spark-Mitglieder wie Johann Sebastian Bach, der sich fremde Werke zu eigen machte, indem er sie bearbeitete. Noch heute empfehlen manche Kompositionslehrer das Abschreiben von Werken als erbarmungslos gründliche Methode, sich bei jeder Note zu fragen: warum hat der Komponist das so und nicht anders gemacht? Im Bearbeiten fremder Werke geht diese intensive Form der Aneignung noch einen Schritt weiter. Bach nahm ein Konzert von Vivaldi für vier Violinen und Cello (RV 580) und machte daraus sein Konzert in a-Moll BWV 1065 für vier Cembali. Wie Konzertveranstalter Thomas Rainer im parallelen Chat genau kommentierte, schöpften die beiden Spark-Blockflötisten Andrea Ritter und Daniel Koschitzki ihr Arrangement aus beiden Werken zugleich. Den Finalsatz vermittelte das Ensemble so perlend und blubbernd wie sprudelndes Wasser. Wie der Stuttgarter Komponist Sebastian Bartmann, von dem sie etwa „d minor“ spielten, erweitern auch sie das barocke Notengerüst mit Techniken der Minimal Musik, übertragen Techniken der elektronischen Musik wie Loops oder Arpeggiatoren auf akustische Instrumente zurück und lassen sich von Luciano Berio inspirieren. Hinzu kommen instrumentale Raffinessen, die etwa der Geigenkunst von Sinti und Roma entstammen. Und Songs der Beatles: In seinem Projekt „Beatles go Baroque” hatte Peter Breiner sie zu Concerti grossi im Bach-Stil verarbeitet. Aus ihnen spielte Spark „Michelle“ und „Help“. „Help“ auch mit der programmatischen Absicht, der von Corona-Maßnahmen gebeulten Musik zu helfen: Auch die Konzertagentur Allegra, die nicht nur etablierte Ensembles wie Spark einlädt, sondern ganz besonders auch jungen, noch unbekannten Künstlern Bühnenerfahrung ermöglicht, bangt um ihre Existenz. Auch, wenn sich aktuell über die Crowdfunding-Plattform „kulturMut“ noch genügend Unterstützer zusammengefunden haben, um wenigstens diese Konzertsaison noch zu ermöglichen.

DORIS KÖSTERKE
17.5.2021

weitere, ebenfalls durch Crowdfunding ermöglichte Konzerte am 27.06., 11.7. und 3.10.2021, jeweils um 17 Uhr.

 

Barocknacht 2020 im Corona-Modus

Kaum bekanntgegeben, war sie schon ausverkauft, die Barocknacht 2020 am Institut für historische Interpretationspraxis (HIP) an der Frankfurter Musikhochschule (HfMDK). In früheren Sommern bestand sie aus vielen kleinen parallelen Konzerten. Über den Nachmittag und den früheren Abend hinweg stellten sich darin die einzelnen Musikerinnen und Musiker vor, die dann in einer großen, oft bis nach Mitternacht währenden Opernaufführung vereint waren. Das Programm tourte durch Burgen und Schlösser des Rhein-Main-Gebiets, die ihm einen jeweils spezifischen atmosphärischen und kulinarischen Rahmen gaben. Freunde und Verwandte reisten an, um ihre persönlichen Hoffnungsträger auf den Bühnen zu erleben. Die gehobene Stimmung aus Wiedersehens- und Gaumenfreuden stand über Nervosität und Perfektion.

Corona prägt die Barocknacht 2020

In diesem Jahr war der Event auf drei Konzerte in der Musikhochschule kondensiert, zwischen denen man sich entscheiden musste. Wer keine der sehr raren Karten mehr bekommen hatte, konnte die Konzerte im Livestream verfolgen. Eine Pressekarte war nur noch für den späten Abend zu bekommen. Man betrat den Kleinen Saal mit den stark ausgedünnten Sitzreihen und suchte sich einen nicht in Dunkelgrün oder Violett überklebten Platz im Bewusstsein, an etwas ganz Besonderem teilzuhaben.

Erbarmungslos anspruchsvoll

Statt großer Oper gab es kleine, erbarmungslos anspruchsvolle Kammermusikformationen, beginnend mit der Sonate VI für zwei Celli aus dem Livre II (1735, Paris) von Jean Baptiste Barriere (1707-1747). Barrier war ein Virtuose, der wohl primär zur cellistischen Selbstdarstellung komponierte. Die Rollen waren sehr ungleich verteilt: Felicitas Weissert leistete die offensichtliche virtuose Schwerstarbeit. Souverän bespielte sie das Griffbrett in den Lagen, für die man weit über den Corpus hinweggreifen muss: Selbst versierte Barockcellisten, die es unendlich lieben, ihr Instrument innig mit den Beinen zu fixieren, wünschen sich für solche Passagen einen stabilisierenden Stachel. Aber Felicitas Weissert meisterte das ohne sichtliche Schwierigkeiten. Ihr gegenüber hatte Ena Markert für exakte Grundierungen und Akzente zu sorgen – keine triviale Aufgabe, besonders in Hochgeschwindigkeits-Springbogenpassagen.

Redlich, neckisch, fesselnd

In der „Clavier-Übung“ von Vincent Lübeck bemühte Kadra Dreizehnter sich redlich, den sich jeweils aus Arpeggien-Schauern herausschälenden Themen einen emotionalen Sinn zu geben. In Telemanns Kanonischer Sonate Nr. 1, op. 5, TWV 40 zeigte Blockflötistin Sonja Radzun viele technische Finessen, während Marlene Crone auf der Barockvioline durch exakte Intonation und neckisches Spiel für sich einnahm. Mit sicherer Technik, reicher Agogik und fesselnder Bühnenpräsenz bestach Maria Carolina Pardo Reyes in drei Sätzen aus Bachs Erster Cellosuite. In der Sonata a 2 in c-Moll für Oboe und Fagott von Johann David Heinichen (1683-1729) überzeugten Christina Hahn (Fagott) und Ortrun Sommerweiß (Cembalo) durchweg mit klangschönen, tragfähig durchgestalteten Spannungsbögen. Oboist Alexandru Nicolescu wirkte so, als habe er sich vor allem auf das abschließende Allegro vorbereitet, das ihm dann auch technisch wie klanglich entsprechend gelang.

Reicher Nachklang

Der Abend beschloss Bachs Flötensonate in g-Moll, BWV 1034 als ein von der Blockflötistin Dongju Seo und Flóra Fábri am Cembalo geschliffenes Juwel. Ein Nachklang ihrer plastischen Phrasierungen, ihrer klangschönen organischen Sanglichkeit und ihrer musikantisch sprühenden Energetik begleitete durch den Rest der Nacht.

DORIS KÖSTERKE
19.07.2020