Daniel Hope beim Rheingau Musik Festival

Die Architektur der nach dem „Wiesbadener Programm“ erbauten Wiesbadener Lutherkirche sammelte die Besucher des Rheingau Musik Festivals als über Blickkontakte verbundene Gemeinschaft um die Altar-Bühne. Da irritierte ein Trommelschlag von draußen, wiederholte sich, formte einen Rhythmus, in den sich eine Barockgitarre schmiegte. Von hinten zogen die Spieler durch die Kirche wie eine Rotte von Spielleuten. Nach und nach beteiligten sich auch die Geiger Daniel Hope und Simos Papanas, sowie ein Cello an den Renaissance-Klängen von Diego Ortiz‘ „Ricercata segunda“. Der Cellist (phänomenal wach und einfallsreich: Nicola Mosca!) konnte auch im Gehen spielen. Der überraschende Schluss im wildesten Spiel zeigte, wie stark Geiger Daniel Hope mit seinen fünf Mitspielern über Energieströme verdrahtet war.

Jede Musik „lebt“ von dem, was nicht in den Noten steht. Für Barockmusik gilt dies in gesteigertem Maße. Daniel Hope und seinen Mannen gelang eine „Wiederbelebung“ mit musikalischen Mitteln, die die historisierende Aufführungspraxis um Mittel aus Jazz, Folk und „Neuer“ Musik erweitert.

Hinzu traten Hopes mit englisch-trockenem Humor gewürzte Erzählungen. So sah man in „La suave melodia“ von Andrea Falconieri zugleich auch den Komponisten vor sich, mit unwiderstehlicher Anziehungskraft auf Frauen und das Geld ihrer Ehemänner. Das von beiden Geigern meisterlich beherrschte keltische Fiddle-Idiom unterstrich die Information, dass Nicola Matteis es leider mit einer Leberzirrhose bezahlen musste, dass er die Ideen für seine Kompositionen in Kneipen fand. Die Jazz-Erfahrungen aller Mitspieler spürte man in ihrer wachen und witzelnden Kommunikation untereinander, in ihrem kreativen Umgang mit den Späßen des Perkussionisten Michael Metzler und besonders in Vivaldis „La Folia“-Variationen, in Ausflügen aus schmelzenden Terzen ins lustvoll Ruppige am Rande zum Unanständigen.

War es klug, diese psychedelische Droge schon vor der Pause zu bringen? Was sollte danach noch kommen? Richtig: nachdenkliche Töne. Etwa von einer höfischen Musik, die die Kulturen unterworfener Völker ausschlachtete, um sich ihre Rhythmen einzuverleiben. Möglicherweise fanden sie sich sogar im intimsten Moment des Abends, „Imitatione de liuto“ von Johann Paul von Westhoff, allein gespielt von Hope und Emanuele Forni (Laute).

Warum das Programm „Air“ überschrieben war, zeigte sich erst in der zweiten Zugabe, „dem“ Air von Bach (Zweiter Satz aus BWV 1068), als sei der gesamte Abend nur ein Leib und Seele reinigendes Vorspiel gewesen zu dieser Liebeserklärung an das Dasein und die Geige.