Duo Runge&Ammon spielt „Baroque Blues“

Hohe Kunst voll Sinnlichkeit und Spiritualität

 

Vermutlich ist es egal, was man Eckart Runge, dem Gründungscellisten des Artemis-Quartetts, zu spielen gibt: Ob „E“ oder „U“, er wird es so lange drehen und wenden und dabei mit seinen zu Klang werdenden Gedanken und Gefühlen aufladen, bis etwas bahnbrechend Gehaltvolles herauskommt. Diesen Eindruck gewann man im Konzert „Baroque Blues“ des Duos Runge&Ammon im Mozart Saal, in dem die Klangsprachen von Barockmusik und Jazz einander befruchteten: die Jazz-Idiome waren zu Edelsteinen geschliffen, die drei Piazzolla-Stücke wirkten alles andere als gezähmt und auch in den Barock-Bearbeitungen, die gleichsam das Gerüst des Abends bildeten, ließ er sein Cello weinen und vor Vergnügen quietschen, schluchzen, jubeln und inständig beten. Im (bearbeiteten) Larghetto aus Händels Violinsonate g-Moll HWV 364a reihte er emotional „sprechende“ Verzierungen zusammen mit einem unfassbaren Reichtum an Klangfarben an weitgespannte Spannungsbögen, die die auch Pianist Jacques Ammon fein aussingend mittrug. Der Schlussakkord klang nicht nach Händel, sondern leitete über zu Gershwins „It Aint’t Necessarily So“.

Ganz schön aus der Puste, denn Cellospielen ist Schwerarbeit, plauderte Runge über die Hintergründe des Projekts „Baroque Blues“ als „persönliche Antwort auf den verstaubten Klassikbetrieb auf der einen Seite und seichtes Crossover auf der anderen“. Barockmusik und Jazz leben beide von der Improvisation nach mehr oder minder verbindlichen Regeln und der Blues scheint auch im Barock das wichtigste Gefühl. Er nannte den passus duriusculus, der als ständig wiederholte Bassfigur das Rückgrat vieler lamentierenden Barock-Kompositionen , nicht nur für das an diesem Abend gespielte „Lumi potete piangere“ von Giovanni Legrenzi, bildet. Pianist Ammon griff den chromatisch über eine Quarte absteigenden „etwas zu harten Gang“ auf und zeigte unter begeistertem Beifall, dass er sich auch als Sujet für eine fetzige Jazz-Improvisation eignet. Der chilenische Pianist scheint die Idiome von Jazz und Tango mit der Muttermilch aufgesogen zu haben. Seit rund zwanzig Jahren spielt er mit Runge im Duo zusammen, der es seinerseits als „Lebensaufgabe“ bezeichnet, Jazz lebendig zu spielen. Über dieses Bemühen hat Runges Klangsprache an unmittelbar sinnlicher Eingänglichkeit gewonnen, als spräche da ein „ganzer Mensch“ in Cellotönen. Mit extrem feinem Ohr reproduzierte er auch den typischen Klang des Bandoneons, einschließlich jenes Sotto-Voce-Vibratos, das dem Tango Nuevo mitunter eine Aura verleiht, als handele es sich um die letzte Worte eines Sterbenden. In zwei Stücken, „Nearly Waltz“ und „Burleke“ stellte das Duo den 1937 in der Ukraine geborenen Komponisten Nikolai Kapustin vor. Sein kompositorisch komplex verdrahtetes Jazz-Idiom beschrieb Runge als „Musik, die wir immer gesucht haben ohne zu wissen, dass es sie schon gibt“.

Die Zugaben waren Piazzollas Libertango und „Blue and green“ von Miles Davies, der laut Runge „mit wenigen Tönen ganz viel sagt“.

DORIS KÖSTERKE